Zwölf internationale Künstler wollen Wahrnehmungsgrenzen sprengen.
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Neben unbeschreiblich leckeren Tapas und dem spektakulären Guggenheim-Museum gibt es seit Anfang Juli und bis zum 8. September einen weiteren Grund, in die nordspanische Kulturmetropole Bilbao zu reisen - Katalysatoren aus Österreich.
Genauer gesagt kommen diese Katalysatoren aus Linz, sind aber recht international. Das Ars Electronica Center Linz zeigt im Kulturzentrum Alhóndiga Bilbao mit der Ausstellung "Artists as Catalysts" (Künstler als Katalysatoren) auf recht spektakuläre und vor allem interaktive Art, wie Künstler als Katalysatoren wirken, indem sie nicht nur in ihren Werken Prozesse und Reaktionen auslösen, sondern auch beim Publikum Reaktionen bewirken, die über das normale Maß an bloßer Betrachtung von Kunstwerken hinausgehen.
Um neue Denkrichtungen bei den Besuchern zu schaffen, aber auch um ihre eigenen Werke zu verändern und weiterzuentwickeln, mussten die zwölf international bekannten Künstler, welche vom Linzer "Zukunftsmuseum" ausgewählt wurden, neue Türen öffnen, vor den Kopf stoßen.
Das klingt abstrakt. Hier ein paar erklärende Beispiele: Schon im ersten Teil der Ausstellung, der sich dem Thema "Umwelt und nachhaltige Zukunft" widmet, wird dem Besucher ziemlich sehr schnell bewusst, was Lourdes Fernandez, Direktorin der Alhóndiga Bilbao, damit meint, "die Projekte gehen über die üblichen Grenzen hinaus".
So hinterfragt der isländische Künstler Finnbogi Pétursson in seiner Wasserbecken-Installation "Earth" beispielsweise mittels Beschallung des Wassers unser abstraktes Verhältnis zu unserem Planeten. Der Puls der Erde, der plötzlich hör- und spürbar wird, soll uns verdeutlichten, dass wir eigentlich nicht viel von unserer Erde wissen, ihre Schwingungen nicht kennen.
Unterdessen geht der US-Amerikaner Eric Paulos mit "Energy Parasites" der Frage nach, wie es mit den Energieressourcen in Zukunft weitergehen soll. Seine Apparaturen, die wie ein Parasit Energie abzapfen, egal woher sie kommt, sollen zum Nachdenken über anderen Formen der Energiegewinnung anregen.
Von Überwachung und Manipulation
Die japanische Künstlerin Seiko Mikami setzt sich mit ihrer beeindruckenden Rauminstallation "Desire of Codes" mit dem zweiten Schwerpunktthema der Ausstellung auseinander - "Überwachung und Manipulation einer medialisierten Welt". 90 hektisch blinkende "Insektenfühler" mit riesenhaften Roboterarmen ragen aus der Wand und recken sich ausgestattet mit einer weißen Leuchtdiode, einer Minikamera und einem hochempfindlichen Mikrofon jedem Besucher entgegen, der sich nähert. Das Geräusch, das diese sich permanent bewegenden Objekte dabei erzeugen, erinnert an Maschinengewehrfeuer. Die Bedrohung durch Kontrolle und Überwachung ist unmittelbar spürbar in der großen Ausstellungshalle des von Philippe Starck konzipierten Kulturzentrums.
Der italienische Künstler Paolo Cirio interessiert sich in seiner Arbeit "Street Ghosts" für die Verharmlosung und die Gesetzmäßigkeiten der Überwachung im öffentlichen Raum. Um vor allem das lokale Publikum vor den Kopf zu stoßen, überrascht er die Besucher, wie sie durch großformatige Druckbilder, die "ohne Autorisierung" aus dem Google Street View in Bilbao entnommen wurden, plötzlich selber zu einem Teil des Kunstwerks wurden oder es hätten werden können.
Auch die Österreicherin Manu Luksch thematisiert in ihrer Video-Installation "Faceless" diese Problematik. Doch zeigt sie sich dabei selber als Opfer unkontrollierbarer Kontrolle, indem sie an zahlreichen öffentlichen Orten und in Geschäften, wo sie sich in London befand, die Aufnahmen der Videoüberwachungskameras einforderte und zusammengeschnitten hat.
Im dritten Ausstellungsteil "Find Your Voice and Express Yourself" sticht vor allem die eigens für die Expo kreierte interaktive Rauminstallation der baskischen Künstlergruppe Ehu Zarata hervor. "Think Silently Act Noisily" besteht aus zwei grünen Tafelwänden, die von den Besuchern mit weißer Kreide beschrieben werden können. Sobald der Besucher etwas auf die Tafel schreibt, nehmen Sensoren das Geräusch und die Bewegung auf. Diese Geräusche werden anschließend manipuliert und als Sound zum schreibenden Besucher als paradoxe Kommunikation im Endlosschleifenformat zurückgeschickt.
Die vom Ars Electronica Center Linz in Bilbao gezeigte Ausstellung "Artists as Catalysts" ist zwar nicht die erste interaktive Expo zum Thema Kunst als Katalysator, aber mit Sicherheit einen Besuch wert. Und wem das zu abstrakt ist, der kann ja immer noch das Guggenheim besuchen oder Tapas essen gehen.