Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 20 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Es war sicher Zufall, aber am vergangenen Wochenende war in Ö1 einiges über das Verhältnis von Heiligkeit und Künstlertum zu erfahren. Den Auftakt bildete "Logos" am Samstag. Das theologische Magazin berichtete über die Ausstellung "Heiliger Sebastian" in der Wiener Kunsthalle. Da Sebastian meist jung, fast nackt und auf feminine Weise schön dargestellt wird, avancierte er im späten 19. Jahrhundert zum Schutzpatron der Homosexuellen, aber auch der modernen Künstler. Allerdings wies die Historikerin Gabriele Sorgo in "Logos" mit Recht darauf hin, dass die Idee des Opfers, die Sebastian verkörpere, kein "dekadentes" Spätphänomen sei, sondern genuiner Bestandteil der christlichen Tradition.
Die zweite Lektion zum Thema erteilten am Sonntag die "Tonspuren": Gertrude Stein, die amerikanische Ahnfrau der Avantgarde wurde vorgestellt. Sie aber verfasste 1934 zusammen mit dem Komponisten Virgil Thompson die Oper "Four Saints in three Acts" (Vier Heilige in drei Akten). Die Botschaft dieser Oper wurde in den "Tonspuren" kurzgefasst: "Die Pariser Avantgardisten waren die Heiligen der Kunst."
Am Montagvormittag schließlich berichtete Peter Kieslinger im "Pasticcio", Nietzsche habe Bizets "Carmen" gehört und danach notiert, er befinde sich auf dem Weg zur "Heiligkeit". Mag sein, dass das Thema "Künstler und Heilige" nicht zu den dringlichsten aller Weltprobleme gehört. Aber das Schöne an Kulturkanälen wie Ö1 ist ja, dass sie auch entlegene Stoffe zum Nachdenken anbieten.