Größer, höher, gigantischer. In Dubai neigt man zu einem gewissen Strebertum.
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Was macht ein Wüsten-staat am Meer, dem die Erdölvorräte zur Neige gehen? Er sucht
sich einen alternativen
lukrativen Wirtschaftszweig, Tourismus beispielsweise. Liegt auf der Hand, in einem Land, in dem es nie kalt ist und wo meistens die Sonne scheint. Das wird den Leuten schon einiges Wert sein, denkt man sich, und setzt von Beginn an auf gehobene Klientele.
Was macht der gleiche Staat, wenn ihm, nachdem diese erste Rechnung voll aufgegangen ist, die freien Flächen an der Küste ausgehen? Er schafft sich künstliche Inseln und vervielfacht so die 60 Kilometer verfügbarer Küstenlinie. Damit nun das Ganze auch ein Gesicht hat, lässt man nicht etwa eine unförmige Insel ins Meer kleckern sondern stilisierte Palmen, die Platz für Hotels, Villen und Apartmenthäuser bieten - oder gleich ein Abbild der Welt, von dem sich jeder, der das nötige Kleingeld hat, selbst ein Stück zur Eigennutzung kaufen kann. Nachdem besagter Staat Dubai heißt, kommt ihm einerseits zugute, dass die Uferzone am Arabischen Golf sehr seicht und die Wellen moderat sind und andererseits, dass hier im Prinzip nichts als unmachbar gilt.
Zumindest nichts, was sich Sheikh Mohammed bin Rashid Al Maktoum so denkt. Er kam vor nunmehr rund zehn Jahren auf die Idee, Dubais Küstenlinie um mehrere künstliche Inseln zu erweitern und nachdem in Dubai das läuft, was er beschließt, kann Ali Mansour, technischer Chef dieses gigantischen Marineprojekts, heute stolz The Palm Jebel Ali präsentieren: "Von oben gesehen hat The Palm Jebel Ali die Form einer Palme, im Halbkreis von einem schützenden künstlichen Riff umschlossen. Wir haben die Phase eins, die marinen Arbeiten, nun abgeschlossen. Jetzt kann die Insel urbanisiert werden, zunächst mit der nötigen Infrastruktur wie Straßen und Brücken und dann mit den eigentlichen Gebäuden und Grünflächen". Auf den rund 12 Millionen Quadratmetern neu gewonnenem Land wird es Büros, Sport- und Einkaufszentren geben. Und vor allem Resorts und Wohnmöglichkeiten für mehr als 100.000 Menschen, je nach Budget in luxuriösen Beachfront-Villas oder Stelzenbungalows oder in etwas bescheideneren Seafront-Apartments.
220 Millionen Kubikmeter Sand und 22 Millionen Tonnen Stein wurden für diese erste Bauphase der Landgewinnung bewegt. Der Wellenbrecher, der die gesamte künstliche Insel halbmondförmig umgibt und den man deswegen Crescent nennt, wurde aus Steinen aufgebaut, die in unzähligen Lastwagenladungen von Steinbrüchen in den Bergen angekarrt wurden. "500 Trucks pro Tag waren im Laufe von fünf Jahren im Dauereinsatz, um die Steinbrocken zur Baustelle zu transportieren", berichtet Mansour, der auch auftretende Pannen wie das drohende Aus von Nachschub zu meistern hatte, "Die unterste Schicht des Wellenbrechers wurde mit kleineren Steinen aufgebaut, die nächsten Schichten mit riesigen Brocken, die von Kränen Stück für Stück mittels GPS zentimetergenau positioniert wurden." Die Innenseite des Crescent wurde anschließend mit einem speziellen Stoff durchgehend gefüttert, um zu vermeiden, dass der mühsam in der entstandenen Lagune aufgeschüttete Sand durch Meeresströmungen wieder nach außen gesogen wird. Ali Mansour gibt eine Idee von den Ausmaßen der Arbeit: "Die Planen wurden von Hand zusammengenäht - auch unter Wasser".
Das Land innerhalb dieses schützenden Halbmonds wiederum hat man rein aus Materialien aus dem Meer gewonnen. "Für das Fundament wurden Steine aus dem harten Meeresgrund gefräst und mit Schwimmbaggern richtig positioniert. Unter Tag-und Nachteinsatz der leistungsfähigsten Maschinen dauerte es dennoch dreißig Tage, bis nur ein einziger von 17 Landstreifen erstmals an der Oberfläche sichtbar wurde", so Mansour. Oben drauf wurde dann noch eine Lage an Sand (ebenfalls aus dem Meeresgrund, da sich Wüstensand nicht eignet) aufgebracht. Das Schiff Elcano spuckte Sand mit einer Leistung von 15.000 Kubikmetern pro 90 Minuten auf das Steinfundament. Die Reichweite der Sandfontäne betrug bis zu 2,5 Kilometer. Als letzter Schritt musste der Sand noch verdichtet werden, um den Erdbebenwiderstand zu verbessern. Mansour: "Man arbeitet mit Vibrationstechnik. Durch heftiges, lokal sehr tiefes Rütteln wird der Verdichtungsvorgang beim Sand im Vergleich zu natürlichen Vorgängen deutlich beschleunigt". Der solchermaßen kompakte Sand ist nun die Unterlage für alle nachkommenden Arbeiten.
Noch ist The Palm Jebel Ali quasi nackt, doch die halb so große Schwesterinsel The Palm Jumeirah ist die schaumgeborene Utopie des Sheikhs, die sich völlig real erleben lässt. Mit der brandneuen Monorail schwebt man sieben bis zwanzig Meter über diesem Strandtraum der Reichen. Zunächst passiert man die uniformen Appartementblocks der Normalverdiener am Stamm der Palme. Kaum verjüngt sich der Trunk (Stamm) im oberen Teil zur sogenannten Spine (Rückgrat), gewinnt die Insel an Leichtigkeit. Wie feine Federn ziehen die Fronds (Palmwedel) genannten Villenzeilen nach rechts und links Bögen, die in feinstem Sand in einer türkisen Lagune auslaufen. "Jede Villa hat ihren eigenen Privatstrand. Ursprünglich haben wir die Residenzen um eine Million US-Dollar angeboten - der Marktwert liegt heute beim Fünffachen", kann sich Maria Abdelrahman von Nakheel, der Firma, die die Fäden hinter den meisten Immobiliengeschäften Dubais zieht, nicht über mangelnde Nachfrage beklagen. Und das binnen kürzester Zeit: 2001 wurde die Insel angekündigt, 2002 die Verkäufe gestartet und bereits 2006 war die Insel im großen und ganzen geschaffen.
Am Wellenbrecher ist Platz für 40 Hotels und Resorts - als erstes eröffnete das disneyhafte Atlantis Hotel 2008. Es liegt an der Endstation der Monorail und hat seine eigenen Superlative: Das hoteleigene Aquarium, gefüllt mit 42 Millionen Liter Salzwasser und damit Heimat für 65.000 Seelebewesen, die 250 Arten repräsentieren, sucht seinesgleichen. Dem nicht genug, haben die Inselmacher an der meeresgewandten Seite des Wellenbrechers Wachstumshilfen für Korallen installiert. Es wird nicht mehr lange dauern und man kann hier direkt von der Strandpromenade aus in eine bunte Unterwasserwelt abtauchen. Wie überall in Dubai fließt auch auf den Palmeninseln desaliniertes Wasser aus der Leitung, für die Bewässerung wird aufbereitetes Abwasser verwendet. Weiters finden sich hier eigene Kältekraftwerke, die Fernkühle für die allerorten notwendige Aircondition liefern.
Zusätzlich zu den beiden bereits gebauten Inseln The Palm Jumeirah und The Palm Jebel Ali ist eine Dritte, noch größere geplant - The Palm Deira gegenüber der winzigen Altstadt Dubais. Ihre Zukunft steht nach der weltweiten Finanzkrise in den Sternen, die Landgewinnung wurde bei knapp 40 Prozent des Plans bis auf weiteres angehalten. Ebenso kommt das Projekt The World nicht wirklich auf Trab, auch wenn man die Umrisse - die erste Bauphase ist fertig gestellt - deutlich aus der Luft sehen kann. The World besteht aus 300 Inseln, die in einer Art Puzzle die Welt ergeben. Nur finanzkräftigstes Publikum hat die Chance, eine dieser Weltinseln zu erwerben, und jenes Projekt umzusetzen, mit dem es den Zuschlag bekommen hat.
Die Palmeninseln vor Dubai sind Projekte wahrhaft pharaonischen Ausmaßes. Die Wellenbrecher sind die längsten künstlichen Riffe der Welt. Sie sind auf Satellitenfotos sichtbar. Die Monorail ist die erste ihrer Art im Nahen Osten wie auch das marine Habitat von Atlantis. Aber auch an Land gilt in Dubai die Devise: Nicht kleckern sondern klotzen. Das Burj al Arab, im Übrigen ebenfalls auf einer kleinen künstlichen Insel errichtet, zählt zu den luxuriösesten Hotels der Welt. Der Büro- und Wohnkomplex Burj al Khalifa ist mit 828 Metern Höhe das höchste Gebäude, besitzt das höchstgelegene Observation Deck und den Aufzug mit der längsten Distanz weltweit. Die Dubai Shopping Mall ist mit 1200 Geschäften, einem Entertainmentcenter und einem Eisring das größte Einkaufszentrum der Welt. Und das alles (und noch mehr) mitten im Nichts der Wüste! Nirgendwo sonst trifft die Skyline einer Stadt des 21. Jahrhunderts so unmittelbar auf pure Natur: Die ewigen Sanddünen der Wüste Rub-al-Khali, der größten Sandwüste der Erde, liegen keine zehn Kilometer landeinwärts.
Anreise.
Zweimal täglich direkt ab/bis Wien mit Emirates. Einreise: Kein Visum erforderlich
Weitere Infos.
www.dubaitourism.ae (Dubai Tourism, T: +41/31/924 75 99), www.nakheel.com (The Palm Islands & The World)