Kurdische Abgeordnete fordert Ankara zu Dialog mit der PKK auf. | Klagewelle gegen kurdische Politiker. | Wien. Über kurdischen Politikern in der Türkei hängt ständig das Damoklesschwert eines Gerichtsprozesses. "Ich bin schon so oft angeklagt worden, dass ich es gar nicht mehr zählen kann", sagt Asyel Tugluk. Sie ist Mandatarin der "Partei der demokratischen Gesellschaft" (DTP), die sich für die Belange der Kurden einsetzt und 21 der 550 Parlamentssitze innehat. Auch gegen weitere Mandatare der DTP laufen Verfahren. "Wenn unsere Immunität aufgehoben wird, droht uns das Gefängnis", berichtet Tugluk, die sich gerade in Wien aufhält, um mit österreichischen Politikern zusammenzutreffen. Auch gegen die DTP als Ganzes ist ein Verbotsverfahren im Gange.
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Der Grund dafür ist vor allem die Haltung der DTP zur kurdischen Guerillaorganisation Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). Die PKK kämpft gewaltsam gegen die türkische Obrigkeit und hat dabei auch immer wieder zivile Ziele angegriffen. Ankara macht die PKK seit der Aufnahme des bewaffneten Kampfes 1984 für den Tod von mehr als 40.000 Menschen verantwortlich. Der DTP wird Propaganda für die PKK vorgeworfen, die Partei weigert sich, die PKK - wie die türkische Regierung, die EU und die USA - als Terrororganisation einzustufen.
"Gewalt keine Lösung"
Im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" stellt Tugluk zwar klar, "dass unsere Partei den Dialog mit demokratischen Mitteln sucht. Gewalt kann nicht zur Lösung der Kurdenfrage beitragen." Gleichzeitig meint sie aber, dass die PKK nicht die Ursache der problematischen Situation für die Kurden, sondern deren Ergebnis sei.
Die etwa zehn Millionen Kurden waren jahrzehntelang einer harten Assimilierunspolitik ausgesetzt. Bis 1991 war die kurdische Sprache in der Öffentlichkeit verboten, auch heute darf sie etwa an höheren Schulen nicht verwendet werden. Dem türkischen Militär wurden bei seinem Kampf gegen die PKK immer wieder von Menschenrechtsorganisationen Übergriffe auf die Zivilbevölkerung in den kurdischen Regionen vorgeworfen. Zudem wurden in den 90er Jahren hunderttausende Kurden aus ihren Wohngebieten vertrieben. In einem Staat, in dem Unterdrückung herrsche, würden Organisationen wie die PKK entstehen und sich auch in Zukunft bilden, sagt Tugluk.
Auch die derzeitige islamisch-konservative Regierungspartei AKP würde laut Tugluk kaum Rücksicht auf kurdische Belange nehmen. Zudem wirft die 44-Jährige der Partei von Premier Recep Tayyip Erdogan vor, in der Kurdenfrage weiterhin auf eine militärische Lösung zu setzen, anstatt soziale und kulturelle Aspekte stärker zu berücksichtigen. Dies ließe eine weitere Eskalation der Gewalt befürchten.
Manche Beobachter meinen allerdings, dass gerade die AKP-Regierung auf die Kurden zugeht und verweisen etwa auf einen kurdischen Fernsehkanal, der ganztägig ausstrahlt. "Die Kurdenfrage kann aber nicht durch einen Fernsehkanal gelöst werden", sagt Tugluk. Noch immer würden den Kurden fundamentale Rechte abgesprochen.
Und hier setzen auch die Forderungen der DTP an: Es müsse eine Verfassung verabschiedet werden, die Minderheitenrechte für die Kurden festschreibt. Dabei müssten alle Hindernisse für die kurdische Kultur und Sprache abgeschafft werden. So dürfen politische Parteien nicht auf Kurdisch werben.
Zudem verlangt die DTP von der Regierung, dass sie einen konkreten Plan vorlegt, wie sie weiter mit der Kurdenfrage umgehen will. Tugluk verweist in diesem Zusammenhang auch auf soziale Aspekte. Die von Kurden bewohnten Regionen im Südosten der Türkei gehören zu den ärmsten des Landes.
Eine weitere Forderung der DTP ist ein breit angelegter Dialog, der auch die PKK mit einbezieht. Mit dieser würden sich laut Tugluk in den Kurdengebieten Millionen Menschen identifizieren.
Es ist aber äußerst unwahrscheinlich, dass die türkische Regierung jemals mit der PKK verhandeln wird. Doch Tugluc meint: "Das sind Forderungen, von denen die Kurden keinen Schritt zurückweichen werden."