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Kurdenkonflikt droht aufs Neue zu entflammen

Von WZ-Korrespondentin Birgit Svensson

Politik

Die türkische Armee fliegt Luftangriffe gegen den IS und die PKK im Nordirak. Die Spannungen | wachsen. Gleich wie die Sorgen um die türkisch-kurdische Versöhnung.


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Erbil. Die Kandil-Berge am östlichen Rand der kurdischen Autonomiegebiete im Nordirak sind bis zu 3000 Meter hoch und sehr steil. In Serpentinen schlängeln sich die schmalen Straßen in die Höhen. Die angemessene Fahrgeschwindigkeit kann leicht überschätzt werden. "Wir sind hier fünf Stunden von der iranischen Grenze und eine Stunde von Rania entfernt", gibt Hamsa als Ortsbestimmung an. "Fußmarsch, wohl bemerkt!" Was die kurdische Regionalregierung in Erbil lange nicht zugeben wollte, ist seit gut zwei Jahren offiziell: Die türkisch-kurdische Guerillaorganisation PKK hält sich in den irakischen Bergen unweit der türkischen Grenze auf.

Hamsa ist einer von ihnen und kontrolliert den Zugang zu einem der zehn Lager. Schon seit dem Sturz Saddam Husseins im April 2003 operierten etwa 5000 türkische Kurden auf irakischem Territorium, zunächst mit schweigsamer Duldung der irakischen Kurdenführer Massoud Barzani und Dschalal Talabani. Von dort aus planten sie Anschläge gegen türkische Sicherheitskräfte, welche die türkische Armee stets mit Vergeltungsaktionen in Form von Luftangriffen gegen ihre Stellungen beantwortete.

Vor zwei Jahren dann kam die Wende: ein Friedensschluss zwischen der PKK und der Regierung in Ankara besagte, dass weitere 2000 PKK-Kämpfer aus der Türkei abziehen und in die Kandil-Berge umziehen sollten mit der Verpflichtung, ihre Terroraktionen gegen die türkische Regierung einzustellen.

Nun bombardieren türkische Kampfjets die PKK-Camps im Irak. Der irakisch-kurdische Nachrichtensender "Rudaw" spricht von F-16-Jets, die vom Luftwaffenstützpunkt im südosttürkischen Diyabakir aufstiegen, zunächst Ziele der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Grenznähe bombardierten, um dann in der Nacht zum Sonntag ihre Angriffe auf die nordirakische Region Hakurk auszuweiten, wohin sich die PKK zurückgezogen hatte.

Der Kurdenkonflikt, an dessen Eindämmung so viele Hoffnungen hingen, ist wieder entflammt. Die brüchige Waffenruhe ist damit nach mehr als zwei Jahren praktisch beendet. Auslöser der jüngsten Eskalation waren ein Anschlag in der südtürkischen Stadt Suruc mit mehr als 30 Toten - zumeist Kurden. Ankara macht dafür den IS verantwortlich, die PKK wirft den türkischen Beamten Kollaboration mit dem IS vor.

PKK-Kämpfer glaubten sich bereits rehabilitiert

Gewalttätige Auseinandersetzungen folgten. Ein Auto-Bombenanschlag am Sonntag, bei dem in der Provinz Diyarbakir zwei türkische Soldaten getötet und vier weitere verletzt wurden, wurde von türkischer Seite der PKK angelastet. Die Spannung steigt.

Hermine steht am Fuße der über 5000 Jahre alten Zitadelle in Erbil und versucht die Vorbeigehenden in ein Gespräch zu verwickeln und für ihre Position zu werben. Die junge Kurdin ist geschult in der Sprache, wie sie die Organisation und ihre Anliegen nach außen vertritt. Sie gehöre dem Volkskongress Kurdistan an, dem politischen Arm der PKK, erklärt sie auf ihre Funktion hin befragt.

Seit seiner Gründung im November 2003 wurde der "Kongra-Gel" immer bedeutender. Denn die Arbeiterpartei Kurdistans, wie die PKK offiziell heißt, hatte immer weniger mit Partei und Arbeit und viel mehr mit Waffengewalt und Anschlägen zu tun. Über 40.000 Menschenleben soll sie auf dem Gewissen haben. Die Türkei, die EU und die Vereinigten Staaten nennen sie eine terroristische Vereinigung. Die Kurden merkten, dass sie damit nicht weiterkommen und strebten nach einer politischen Lösung.

Ihre irakischen Landsleute halfen ihnen dabei. Kurdenführer Barzani wurde nicht müde, an einer Versöhnung zwischen Türken und Kurden zu arbeiten. Als nach dem Siegeszug des IS im Sommer 2014 die PKK maßgeblich half, die im Sinjar-Gebirge eingeschlossenen Jesiden zu befreien und auch im syrischen Kobane erfolgreich mitmischte, glaubten sich die Guerillakämpfer rehabilitiert. Die irakisch-kurdischen Sicherheitskräfte Peschmerga sind seitdem voll des Lobes über den Kampfeswillen der PKK und planen weitere gemeinsame Aktionen. In Europa setzte ein Umdenkprozess ein. Stimmen, die PKK von der Terrorliste zu streichen, wurden in letzter Zeit lauter, zumal Länder wie Deutschland die Kurden im Kampf gegen den IS auch mit Waffen unterstützen.

Kurdenführer Massoud Barzani ruft deshalb beide Seiten zur Mäßigung auf: "Was im Frieden erreicht wurde, kann nicht durch Krieg erhalten werden." Die kurdische Frage sei ihm zwar eine Herzensangelegenheit, Irak-Kurdistan sei aber weder für die türkische, noch für die Politik der PKK verantwortlich.

Damit zieht Barzani eine klare Linie zwischen den Autonomiegebieten im Irak, deren Präsident er ist und der Entwicklung in den anderen Gebieten, wo Kurden leben. Denn von allen Ländern sind sie im Irak am weitesten gekommen. Ihre weitgehend unabhängige Region erfährt einen noch nie dagewesenen Boom. Als Wirtschaftszentrum mit Milliarden von ausländischen Direktinvestitionen ist Irak-Kurdistan schon jetzt zu einer Größe herangewachsen, die nicht mehr vernachlässigt werden kann.

Türkei hat großen Anteil an Entwicklung Irak-Kurdistans

Die Hauptstadt der Region, Erbil, ist in den letzten zehn Jahren auf das Doppelte ihrer ursprünglichen Bevölkerungszahl angewachsen und zählt jetzt knapp 1,5 Millionen Einwohner. Das will Barzani auf keinen Fall aufs Spiel setzen, denn die Türkei hat großen Anteil an der Entwicklung seiner Region. Türkische Investitionen stehen an erster Stelle, die Handelsbeziehungen sind inzwischen so stark verflochten, dass türkische Geschäftsleute Druck auf Ankara ausübten, sich zumindest mit den Kurden im Irak zu versöhnen.

Der rote Teppich brachte schließlich die Veränderung. Als Barzani Ende April 2012 vom nordirakischen Erbil nach Ankara in die Türkei reiste, wurde er dort wie ein Staatsgast empfangen. Die Bilder des türkischen Premiers Recep Tayyip Erdogan Seite an Seite mit dem Präsidenten der Kurdenregion im Irak ließen die Herzen der Kurden höher schlagen. Von einer historischen Wende sprachen die Medien in den drei Autonomieprovinzen entlang der türkischen und iranischen Grenzen, denn die beiden Herren standen sich bis dato feindlich gegenüber. Ein Jahr später kam der Friedensvertrag zwischen Ankara und der PKK zustande, um dessen Fortbestand nicht nur Kurdenführer Barzani Sorge hat.