Zum Hauptinhalt springen

Kurs Richtung Inflation

Von Philip Hautmann

Gastkommentare
Philip Hautmann ist Sozial- und Wirtschaftswissenschafter.

Deutschland will künftig eine höhere Inflation akzeptieren, um die Eurozone wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Der Zug ist bereits abgefahren.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 12 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Die deutsche Bundesbank, Gralshüterin der Währungsstabilität, hat durchblicken lassen, dass sie künftig in Deutschland eine höhere Inflation dulden werde, zugleich freilich aber beschwichtigt, dass sie es dabei aber auch nicht übertreiben wolle: "Die Bürger können sich auf unsere Wachsamkeit verlassen", erklärte Bundesbankchef Jens Weidemann.

Bei einem Inflationsziel von 2 Prozent innerhalb der Eurozone sei es verkraftbar, dass die Inflation in einem Überschussland wie Deutschland zeitweilig höher als diese 2 Prozent liege (dabei laut Weidemann allenfalls bei 2,4 Prozent), wenn sie in anderen Ländern deutlich unterhalb dieses Wertes liege, so wie in den depressionsgefährdeten oder tatsächlich depressiven Ländern in Südeuropa.

Tatsächlich ist es rein von der technischen Seite her ein Erfordernis, dass sich innerhalb der Währungsunion die Inflationsraten dementsprechend ausgleichen. Vor allem in der gegenwärtigen kritischen Situation: Eine höhere Inflation in den Überschussländern gegenüber einer moderaten Deflation in den Defizitländern ist zwar keine Wunderwaffe im Kampf gegen die Wirtschaftskrise im Euroraum, das Eurosystem strebt allerdings auf diesem Weg einem Gleichgewicht entgegen. Auch Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann bekräftigte: "Wenn wir Europa gemeinsam verbessern wollen, muss jeder seinen Beitrag leisten." Und der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble sagte dazu: "Vielleicht müssen wir im Lohnbereich flexibler sein."

Tatsächlich war Deutschland im Lohnbereich die längste Zeit flexibel - allerdings flexibel ausschließlich nach unten, um die exportorientierte Wirtschaftsstruktur zu stützen. Diese Politik trug mit zur Verschärfung der bestehenden Ungleichgewichte innerhalb des Euroraumes wie auch innerhalb der deutschen Binnenwirtschaft bei. Aufgrund der guten Beschäftigungslage stehen jetzt teils kräftige Lohnsteigerungen ins Haus, wobei einige schon wieder die Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale sehen.

Tatsächlich: Nachdem die Löhne lange Zeit geringer als die Produktivität gewachsen sind, müssten sie jetzt stärker als die Produktivität ansteigen, um ein Gleichgewicht herzustellen. Sollten die Arbeitgeber nicht niedrigere Profite akzeptieren, läuft das auf einen Inflationsschub hinaus.

Ganz allgemein jedoch hat die Europäische Zentralbank (EZB) bereits so viel Geld in das Bankensystem in Europa gepumpt, dass es schwierig erscheint, dieses wieder aus dem Geldkreislauf herauszuziehen, wenn die Wirtschaft wieder in Gang kommen sollte.

Aber auch so besteht ein Dilemma: Ohne die Geldspritzen der EZB wären viele Banken in den südlichen Krisenländern Europas wohl bereits insolvent. Auf der anderen Seite fließt das Geld, das Richtung Süden gepumpt wird, über Warenkäufe, Investments und Kapitalflucht prompt wieder in den Norden zurück und erhöht dort den Inflationsdruck.

Es gibt also nicht viele Gründe, anzunehmen, dass uns eine höhere Inflation in den nächsten Jahren erspart bleibt.