Der Wiener Wahlkampf ist eröffnet: Bürgermeister Michael Häupl mobilisiert ab sofort auf Probe mittels Volksbefragung über Hausmeister und U-Bahn-Nachtbetrieb. Was im Übrigen eine bemerkenswerte Kehrtwende in der politischen Kultur der Bundeshauptstadt darstellt: Bisher waren Mittel der direkten Demokratie stets Waffen in der Hand der Opposition gegen die absolute rote Rathaus-Mehrheit. Und die war bis dato felsenfest überzeugt, ohnehin am besten zu wissen, was das Volk will.
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Die Umfragewerte der letzten Monate dürften dieses Selbstbewusstsein der SPÖ ins Wanken gebracht haben. Häupl und sein Team wollen nun bei der für Mitte Februar geplanten Volksbefragung ihre Wahlkampfthemen - von Soziales über Verkehr und Integration bis hin zu Bildung - abtesten und ihren Parteiapparat auf Vordermann bringen. In der Wirtschaft hat sich dafür der Begriff Stresstest durchgesetzt.
Während in der SPÖ strategisch alles auf den Gemeinderatswahlkampf im Herbst 2010 ausgerichtet ist, taumelt die Wiener ÖVP diesem Termin eher entgegen. Immerhin hat die Partei nun die drängendste Frage gelöst und Christine Marek auf den Schild gehoben. Unter einigen Schmerzen allerdings.
Die Wiener Gerüchteküche will wissen, dass Marek zu ihrem neuen Job mehr als nur sanft überredet werden musste. Tatsächlich dachte die rührige Familienstaatssekretärin beim ersten Nachdenken nicht einmal im Traum daran, Johannes Hahn als Landesparteiobfrau nachzufolgen. Ihre damaligen Argumente klangen glaubhaft, die Wiener ÖVP steht geradezu paradigmatisch für Max Webers harte Bretter, die die Politik bedeuten.
Bleibt die Frage nach der Rolle Josef Prölls in diesem kleinen Wiener Dramolett. Faktum ist, dass er sein primäres Ziel erreicht und Harald Himmer verhindert hat. Was Pröll sonst noch denkt, weiß man nicht genau, man kann es nur vermuten. Der Tradition folgend hat sich der Bundesparteichef nach außen hin strikt aus der Obmann-
suche herausgehalten. Alles andere hätten ihm die Wiener Funktionäre auch übel genommen. Bei Personalfragen lässt sich keine Landespartei von der eigenen Bundespartei dreinreden, nicht einmal die Wiener ÖVP.
Persönlich dürfte er nicht wirklich überzeugt sein, dass mit einem liberalen Kurs in Wien für die ÖVP große Sprünge möglich sind. Auch hier steht wie im Bund das Sicherheits- und Integrationsthema ganz oben auf der Agenda. Der Bund hat dafür Maria "kein Rehauge" Fekter, die Wiener - niemanden. Pröll hat auch den Hardliner Ernst Strasser zum EU-Spitzenkandidaten gemacht. Insgeheim dürfte er sich auch eine solche Mischung für Wien wünschen. Der Niederösterreicher - als solcher quasi genetisch machtbewusst - weiß sehr wohl das strategisch Notwendige vom politisch Wünschenswerten zu unterscheiden. Aber Spitzenkandidaten fallen eben nicht vom Himmel.
Siehe auch:Christine Marek wird erste ÖVP-Chefin in Wien