Bei der vorgezogenen Parlamentswahl am Sonntag könnten bisher dominierende Parteien an Macht einbüßen.
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Prishtina/Wien. "Glaub mir" oder auch "Vertrau mir": Mit diesem Slogan wirbt Vjosa Osmani für sich. Die Juristin ist Kandidatin der konservativen Demokratischen Liga (LDK) - und sie könnte die erste Ministerpräsidentin des Kosovo werden. Aktuelle Umfragen sehen nämlich die Oppositionspartei als Gewinnerin der Parlamentswahl, die am Sonntag stattfindet.
25 Parteien und Bündnisse mit mehr als tausend Kandidaten rittern um 120 Sitze im Abgeordnetenhaus, wobei zwanzig Mandate Vertretern von Minderheitengruppen vorbehalten sind. Im Vorfeld des Urnengangs zeichnete sich ein Regierungswechsel ab. Eine weitere oppositionelle Gruppierung kommt in der Wählergunst nämlich gleich nach der LDK: die nationalistische Vetevendosje (Selbstbestimmung, VV) von Albin Kurti. Der frühere Premier Ramush Haradinaj hingegen hat kaum Chancen, bald wieder diesen Posten zu bekleiden. Ebenso könnte die Dominanz der Mitte-rechts-Partei PDK um Staatspräsident Hashim Thaci gebrochen werden.
Haradinaj hatte eine Koalition mit mehreren Parteien gebildet, die von einstigen Rebellenführern geführt werden. Mitte Juli war er nach gut zweijähriger Regierungszeit zurückgetreten, nachdem er eine Vorladung des Sondergerichts für Kriegsverbrechen erhalten hatte. Folge ist die vorgezogene Wahl - keine Neuigkeit für den Kosovo, wo noch kein Kabinett die gesamte Legislaturperiode überdauert hat.
Nepotismus verringern
Das Vertrauen der Bürger, um das Osmani wirbt, dürfte daher erschüttert sein. Zumal drängende Probleme weiterhin ungelöst bleiben. Es gilt die Korruption zu bekämpfen, die Wirtschaft anzukurbeln, Perspektiven für die Bevölkerung zu schaffen, deren Durchschnittsalter bei 29 Jahren liegt. Fast ein Drittel der Menschen haben keinen Job, das Durchschnittsgehalt übersteigt 500 Euro nicht, Auslandsinvestitionen gehen zurück. Und die Visumpflicht für Reisen in die EU ist noch immer nicht abgeschafft.
Hinzu kommt der schwelende Streit mit dem benachbarten Serbien, das die Unabhängigkeit seiner ehemaligen Provinz nicht anerkennt. Der unter Vermittlung der EU in Brüssel geführte Dialog zwischen Belgrad und Prishtina stockt; und die vom Kosovo verhängten Strafzölle auf serbische Waren verbessern das Gesprächsklima nicht. Umgekehrt lässt Serbien kaum eine Gelegenheit aus, die Aufnahme des Kosovo in internationale Organisationen zu blockieren.
Weder Osmani noch Kurti werden dieses Patt schnell auflösen können. Doch könnten Stimmengewinne für ihre Parteien eine politische Kursänderung im Kosovo nach sich ziehen. "Die Möglichkeit ist gegeben, dass die dauerhafte Dominanz von Parteien wie Thacis PDK gebrochen wird", erklärt Florian Bieber, Leiter des Zentrums für Südosteuropastudien an der Karl-Franzens-Universität Graz. Damit existiere auch die Chance, Nepotismus und Korruption zu verringern - ein Anspruch, den LDK und VV erheben. "Wenn sie das nicht einlösen, dann verlieren sie rasch an Glaubwürdigkeit", meint der Politologe.
Die beiden Parteien scheinen eine künftige Koalition nicht auszuschließen. Wie viel Spielraum sie aber haben werden, hänge laut Bieber nicht zuletzt davon ab, ob sie weitere Bündnispartner brauchen.