Finnische Ratspräsidentschaft will Türkei-Verhandlungen voranbringen. | Brüssel. "Wir wollen die Verhandlungen mit Kroatien und der Türkei voranbringen", sagte der finnische Außenminister Erkki Tuamioja, dessen Land morgen, Samstag, den EU-Vorsitz übernimmt. Ankara müsse aber bis Ende des Jahres seine Zollunion mit allen EU-Ländern inklusive Zypern umsetzen.
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"Jedes europäische Land kann beitreten"
Für die anstehende Debatte um die Aufnahmefähigkeit der EU kündigte er gestern, Donnerstag, einen erweiterungsfreundlichen Kurs an. Die Union dürfe "kein falsches Signal" an derzeitige oder künftige Kandidatenländer senden. Und falsch sei jedes Signal, das "dahingehend interpretiert werden kann, dass die EU ihre Türen schließt". "Jedes europäische Land kann beitreten, das beitreten möchte und die Bedingungen erfüllt", sagte der Minister. Es dürften keine neuen Hürden aufgebaut werden. Damit wischt er die Bemühungen des zu Ende gehenden österreichischen EU-Vorsitzes vom Tisch, die Aufnahmefähigkeit der Union als Kriterium für künftige Beitritte festzuschreiben.
Tuamioja räumte aber ein, dass die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei ein "sehr, sehr langer Prozess" werden könnten. In Diplomatenkreisen wird mit mindestens zehn bis 15 Jahren gerechnet. Sollten die Gespräche unterbrochen werden müssen, wäre das ein "Scheitern für die Türkei und die EU". Daher werde Finnland "alles unternehmen, um das zu verhindern". Dreh- und Angelpunkt bleibt die fortwährende Weigerung der Türkei, ihre Häfen und Flughäfen für zypriotische Schiffe und Jets zu öffnen. Darüber sei er "besorgt", erklärte der Finne. Wenn dieser Konflikt nicht gelöst werden könne, gebe ein "ernsthaftes Problem", das die "Fortsetzung der Verhandlungen gefährden kann".
Kandidat Kroatien hat
die Türkei überholt
Denn formell hatte sich die Türkei letzten Sommer mit der Unterzeichnung des so genannten Ankara-Protokolls dazu verpflichtet, seine Zollunion auf sämtliche EU-Länder auszuweiten. Gleichzeitig betont die türkische Regierung aber hartnäckig, dass sie das EU-Land Zypern nicht anerkenne. Stattdessen strebt sie eine umfassende Friedenlösung für die geteilte Insel abseits der Beitrittsverhandlungen an. Premier Recep Tayyip Erdogan hatte letzte Woche bereits erklärt, zur Not müsse er einen Stillstand der Gespräche in Kauf nehmen.
Dieser Streit ist laut Diplomaten auch der Hintergrund dafür, dass Kroatien die Türkei bei den Beitrittsgesprächen nun überholt hat. Am späten Mittwochabend haben die EU-Botschafter beschlossen, die Vorverhandlungen über das Kapitel "Zollunion" nur mit Kroatien zu beginnen. Denn gegenüber der Türkei könne man dabei kaum das Ankara-Protokoll aussparen, hieß es.