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Wachablöse in Uruguay. Zum ersten Mal seit 174 Jahren ist es der Linken des Landes gelungen, die Macht zu ergreifen. Ihr Kandidat Tabaré Vázquez erreichte laut der zentralen Wahlkommission mit 50,18 Prozent der Stimmen die erforderliche absolute Mehrheit. Die amtierenden Colorados kamen nur auf 10,44 Prozent und die Blancos (Nationale Partei) auf 34,5.
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Am Sonntag wurden in Uruguay der Präsident und die Mitglieder des Parlaments gewählt. Für Vázquez war es ein Sieg im dritten Anlauf. 1994 und 1999 hatte der Krebsspezialist mit seinem Linksbündnis "Frente Amplio - Encuentro Progresista - Nueva Mayoria" (Breite Front - Progressive Union - Neue Mehrheit) noch den Kürzeren gezogen. Diesmal gelang es dem 59-Jährigen, die seit 1830 bestehende Hegemonie der konservativen Parteien zu brechen. Ausnahme bildete seither nur die Militärdiktatur von 1973 bis 1984.
Das Wahlergebnis ist Ausdruck der Hoffnung auf eine bessere Zukunft des Landes, das sich derzeit in der schlimmsten wirtschaftlichen Krise seiner Geschichte befindet. 30 Prozent der 3,4 Millionen Einwohner leben in Armut. Das Links-Bündnis hatte angekündigt, die Zahlung der Staatsschulden (umgerechnet rund 12 Mrd. Euro) zu verweigern. Man könne nicht zahlen was man nicht habe und werde die Verbindlichkeiten nicht auf Kosten des Hungers der Bevölkerung tilgen, hieß es.
Auf der anderen Seite dürften den Konservativen ihre Privatisierungsversuche geschadet haben. 1992 hatten sich 80 Prozent der Bevölkerung in einer Volksabstimmung generell gegen die Privatisierung von Staatsbetrieben ausgesprochen. 2003 wurde die versuchte Teilprivatisierung der Nationalen Verwaltung für Kraftstoffe, Alkohol und Portlandzement (ANCAP) mit einem klaren Nein quittiert. Schließlich stimmten am Sonntag mehr als 60 Prozent in einem von der Linken initiierten Referendum gegen die Privatisierung der Wasserversorgung. Die direkte Demokratie in Uruguay ist vergleichbar mit jener der Schweiz. Durch Volksabstimmung können Verfassungsgesetze aufgehoben, korrigiert oder geschaffen werden.
Im Spiegel Argentiniens
Wahlentscheidend war sicherlich der "große Bruder" Argentinien. Die Regierung Kirchner hat unter anderen in Südamerika die Linke salonfähig gemacht. Das Schreckgespenst des Kommunismus zieht nicht mehr als Propagandamittel der Rechten. Dafür haben die Folgen der früheren Privatisierungen in Argentinien den Uruguayern Angst eingejagt. "In Argentinien wurde privatisiert und jetzt seht was daraus geworden ist", sagen die Skeptiker. Dort haben sich die Energiepreise nach der Privatisierung der Raffinerien verdoppelt.
Präsident Ernesto Kirchner hatte im Vorfeld der Wahl seine Präferenzen für Vázquez ausgedrückt. Mit ein Grund dafür war das Thema MERCOSUR, eine Union zwischen Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay nach Vorbild der EU, das schon bald ganz Südamerika umspannen soll. Die bisherige Regierung unter Präsident Jorge Batlle hatte sich wenig in dem von Argentinien forcierten Bündnis engagiert. Vázquez jedoch hat angekündigt, sich in die ökonomische und politisch-institutionelle Gestaltung des MERCOSUR einzufügen.
Vázquez erhielt bereits Glückwünsche von den Präsidenten Kirchner, Lula da Silva, Ricardo Lagos (Chile) und Hugo Chávez (Venezuela), den Staatsoberhäuptern lateinamerikanischer Staaten mit linksgerichteten Regierungen. Jorge Larrañaga von den Blancos, und Guillermo Stirling (Colorados) haben ebenfalls schon zum Sieg gratuliert.
Auch bei den Parlamentswahlen konnten die Linken laut letzten Hochrechnungen 16 der 30 Senatssitze erringen. Vázquez wird sein Amt am 1. März 2005 für eine Dauer von fünf Jahren antreten.