Kanzler Sebastian Kurz nützte die Beantwortung der "Dringlichen Anfrage" der SPÖ, um diese zu kritisieren. SPÖ-Abgeordneter Krainer hatte Kurz als "Mann ohne Charakter und ohne Moral" bezeichnet.
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Der SPÖ-Abgeordnete Kai Jan Krainer begründete die "Dringliche Anfrage" an Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) in der Sondersitzung des Nationalrats mit der "Frage, wie Sie mit der Wahrheit umgehen": "Wieso haben Sie so einen schlampigen Umgang mit der Wahrheit?" Am Beispiel der Privatkrankenhäuser, dem geplanten Glücksspielgesetz und Schredderaffäre führte Krainer aus, dass die Verstrickungen der ÖVP sehr viel tiefer gewesen seien als jene der FPÖ. Die Chatprotokolle, die durch den Ibiza-Untersuchungsausschuss bekannt wurden, zeigen Krainer, dass Kurz bei der Bestellung eine größere Rolle gespielt hätte, als dieser selbst angedeutet habe: "Seit den Chats wissen wir, das war Chefsache. Das ist objektiv unwahr, was Sie im Untersuchungsausschuss gesagt haben. Ob Sie das absichtlich gemacht haben, wird die Justiz klären."
Nicht das, sondern die Wortwahl Krainers, der Kanzler biete abseits von Kameras ein "Bild von einem Mann ohne Charakter und ohne Moral", brachte diesen dazu, seine ursprünglichen Notizen nochmals abzuändern und die Beantwortung der "Dringlichen Anfrage" anders einzuleiten. Das Fordern einer Regierung durch die Opposition sei wesentlich in einer Demokratie. "Dass man persönlich attackiert wird, gehört offenbar auch dazu", sagte Kurz. "Die letzten Tage haben einen Höhepunkt gebracht, es geht überhaupt nicht mehr um Kritik, sondern ausschließlich darum, andere zu beschädigen, zu diffamieren und zu vernichten." Um den Ball an die SPÖ und Krainer zurückzuspielen: "Ohne Anstand, ohne Moral, das ist Ihr Stil. Eine Selbsterhöhung der eigenen Person, der eigenen Partei, die nichts mehr mit demokratischem Diskurs zu tun hat."
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<zt>50 Fragen der SPÖ an den Kanzler</zt>
Die "Dringliche Anfrage" von Kai Jan Krainer und anderen SPÖ-Abgeordneten mit <span>dem Betreff "Österreich verdient Ehrlichkeit, Anstand und vollen Einsatz statt Korruptionsverdacht, Verfassungsbruch und Unwahrheiten" beschränkt sich nicht nur auf 50 Fragen, sondern versucht mittels Ermittlungstätigkeiten, Chatnachrichten und Verweisen auf Medienberichte ein türkises "Sitten- und Charakterbild" zu zeichnen. Die Ermittlungen gegen den Kanzler sowie seinen Kabinettschef seien "nur der letzte Höhepunkt einer bereits langen Serie an Vorwürfen, die verschiedene Staatsanwaltschaften nach unabhängigen Ermittlungen gegen ÖVP-PolitikerInnen und ihr Umfeld erheben". Staatsinteressen und Gemeinwohl habe die ÖVP in den Augen der SPÖ "dem individuellen Machtstreben und Opportunismus untergeordnet". "Das türkise Kartenhaus beginnt einzustürzen. Anstand in Österreichs Politik lässt sich jetzt nur durch volle Transparenz und Aufklärung schaffen", ist da zu lesen. </span>
"Warum haben Sie im Ibiza-Untersuchungsausschuss nicht die Wahrheit gesagt?", lautete die erste der 50 Fragen. In den weiteren ging es um die Rolle des Kanzlers bei der ÖBAG-Konstruktion über Fragen nach einem sogenannten Sideletter zwischen ÖVP und FPÖ zur Postenbesetzung in staatsnahen Betrieben generell und beim ORF im Speziellen sowie zu seinem Mobiltelefon und Archivierungen, Kontakten zu Öbag-Chef Thomas Schmid, seit dieser als Beschuldigter geführt wird. Die letzte, Frage 50, lautete, dem ursprünglichen Anlass für die Sondersitzung entsprechend: "Warum halten Sie trotz dessen offenkundiger Überforderung und Weigerung, sich an die Verfassung zu halten, weiter an Gernot Blümel als Finanzminister fest?"
Fragen sind laut Kurz "unterstellend"
Sowohl bei der Beantwortung der ersten als auch der letzten, fünfzigsten, sagte Kurz, dass "bereits die Frage unterstellend ist." Zu einer Frage, in der er gefragt wurde, ob er über Absprachen, Termine und Chats des Finanzministers mit Öbag-Chef Thomas Schmid informiert gewesen sei, sagte der Kanzler: "Die Vorwürfe gegen Gernot Blümel sind falsch." Bester Beweis dafür sei, "dass es keine Spende an Bundespartei gegeben hat."
Zu den anderen Fragen rund um die Öbag sagte Kurz, dass diese zu den Aufgaben des Finanzministers zähle, auch die Bestellung der Aufsichtsräte. "Man wird als Bundeskanzler manchmal mehr, manchmal weniger informiert." Er schreibe und erhalte täglich hunderte Nachrichten, "Ich bitte um Verständnis, dass ich mich nicht an jede einzelne erinnern kann." Ob er nach wie vor zu Schmid Kontakt habe, meinte er: "Ich habe nach wie vor in unregelmäßigen Abständen Kontakt, er ist Vorstand der Öbag."
Wichtig war dem Kanzler auch, zu betonen: "Ich habe mich nie bereichert, das ist ein Faktum und bedarf keiner weiteren Erklärung." Und die letzte Frage nach einem möglichen Rücktritt den Finanzministers zeige einmal mehr, dass es der Opposition nicht um Objektivität gehe, "sondern nur um Anpatzen".
"Nicht legitim, das Parlament zu papierln"
SPÖ-Klubobfrau Pamela Rendi-Wagner betonte in ihrer Rede nicht nur die "permanente Verhöhnung dieses Hohen Hauses", sondern die fundamentalen Grundsätze der Demokratie: "Niemand steht über dem Recht. Alle sind vor dem Recht gleich. Was Recht und Unrecht ist, entscheiden in unserem Land unabhängige Richterinnen und Richter." Ob er die Wahrheit gesagt haben, entscheiden diese, ob es eine Anklage geben werde, entscheide die Staatsanwaltschaft, "weil wir in einem Rechtsstaat leben. Und: Recht muss Recht bleiben." Während der U-Ausschuss-Fraktionsführende der ÖVP, der Abgeordnete Andreas Hanger, einmal mehr von einer "Märchenstunde" Krainers sprach und die Reden der SPÖ-Chefin als "schlecht" bezeichnete, stellte FPÖ-Klubchef Herbert Kickl das "intakte Gewissen" der ÖVP in Frage: "Schämen Sie sich nicht angesichts dieser Wendehalsigkeit, haben Sie keine Skrupel angesichts der Unwahrheiten", die im U-Ausschuss gesagt worden seien. Der Bundeskanzler habe sich die Suppe selbst eingebrockt, nicht die Opposition. Die von der FPÖ gegen Kurz und Blümel eingebrachten Misstrauensanträge fanden im Übrigen keine Mehrheiten.
Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger sprach von einer "veritablen ÖVP-Krise und Regierungskrise", erinnerte daran, dass die Staatsanwaltschaft von Amts wegen gegen Kurz ermittelte, da es sich bei falscher Beweisaussage um ein Offizialdelikt handle. "Eine rote Linie ist dann überschritten, wenn es zu einer Anklage kommt." Für den Kanzler selbst als Person gelte zwar die Unschuldsvermutung, aber es sei "guter Konsens in der Zweiten Republik, dass Anklagebank und Regierungsbank nicht zusammenpassen".
Angriffig gegen den Finanzminister Blümel zeigte sich auch die grüne Klubobfrau Sigrid Maurer: "Es ist hochnotpeinlich", sagte sie und meinte damit nicht den Umstand, den Verfassungsgerichtshof als Abgeordnete anzurufen, damit dem U-Ausschuss Unterlagen geliefert werden, sondern die erste Lieferung des Finanzministeriums in Papierform und in Sicherheitsstufe drei. "Es ist nicht legitim, das Parlament zu papierln." Der Finanzminister habe aber Einsicht gezeigt, die Unterlagen seien bereits digital und neu eingestuft zum U-Ausschuss unterwegs. An Hanger gerichtet sagte Maurer, dass es der Würde des Hohen Hauses nicht entspreche, die Reden einer Abgeordneten "pauschal als schlechte Reden abzukanzeln, auch das entspricht nicht unseren Vorstellungen einer guten demokratischen Auseinandersetzung". Und dem Volk und den Regierungsmitgliedern richtete die grüne Klubobfrau zudem aus, dass diese "den gewählten Abgeordneten als Gast Rede und Antwort zu stehen haben".