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Österreichische Politiker geraten selten ins internationale Scheinwerferlicht. Dazu ist das Land zu klein, zu unbedeutend. Zumal die einmalig hohe Lebensqualität, der starke Sozialstaat und die trotzdem hohe Wettbewerbsfähigkeit keine "Good News" nach der herkömmlichen Logik der Medienökonomie sind.
Es muss also andere Gründe geben, weshalb Bundeskanzler Sebastian Kurz von US-Präsident Donald Trump in 1600 Pennsylvania Avenue empfangen wird, der Postanschrift des Weißen Hauses.
Klar ist, dass sich der US-Präsident einen Nutzen von dem kurzen Treffen erwartet. Trump ist kein Mann, der anderen ohne Gegenleistung einen Gefallen tut; zumindest in dieser Hinsicht ist dieser US-Präsident ein ganz durchschnittlicher Politiker.
Da ist zum einen, völlig losgelöst von aller konkreten Politik, die mediale Faktizität. Diese ganz besondere Wirklichkeit hat für das Medienphänomen Trump noch einmal einen ganz eigenen Stellenwert. Ein Regierungschef eines europäischen Kleinstaats, den "Newsweek" und "Time" auf ihre Titelseite heben und dem "Washington Post" oder "Financial Times" große Stories beziehungsweise Interviews einräumen, weckt da von ganz allein das Interesse des erklärten Nachrichtenjunkies im Oval Office.
Was nun die internationale Rolle des 32-jährigen Kanzlers angeht, so bestimmen zwei Erzählungen den Blick: Die eine, vorwiegend kritische bis ablehnende, wird von der Koalition mit der FPÖ geprägt, die im linksliberalen Milieu in Europa wie in den USA als Regierungspartei abgelehnt wird. Aus bürgerlich-konservativer Perspektive dominiert jedoch eine andere Sicht: Hier gilt Kurz als einer der wenigen Mitte-rechts-Politiker, dem es gelang, eine zur Machtübernahme bereite rechtspopulistische Kraft auszubremsen und die Regierungspolitik dennoch pro-europäisch und zentristisch zu verankern.
Das aktuelle machtpolitische Vakuum in Europa verschafft Kurz zusätzliches Profil. Merkel, die Europas Bühne mehr als ein Jahrzehnt dominiert hat, ist im Abgang; Macron, der das Zepter von ihr übernehmen wollte, ist im Klein-Klein der französischen Innenpolitik gefangen; Spanien ist seit je mit sich selbst beschäftigt, Italien steht ohne strategische Verbündete da und die Visegrád-Gruppe liefern sich mit der EU-Kommission einen epischen Kleinkrieg.
Das macht die Bühne frei für Politiker wie Kurz oder den niederländischen Regierungschef Mark Rutte, die sich ohnehin aufs Engste abstimmen. Nur dass Kurz derzeit die bessere Geschichte für die Medien liefert. Wie groß das Rad jedoch ist, das der Kanzler tatsächlich außerhalb Österreichs zu drehen imstande ist, wird sich erst nach den EU-Wahlen zeigen, wenn es um Neuaufteilung der europäischen Spitzenposten geht.