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Kurz & Kickl

Von Simon Rosner

Leitartikel
Simon Rosner
© Thomas Seifert

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Bei Konzerten kommen die Hits am Schluss. Als Zugabe. Das ist im Wahlkampf anders, da werden die alten Hadern zu Beginn gespielt. "Sie sind gegen ihn, weil er für Euch ist". Dieses Lied hat Jörg Haider 1994 gesungen, HC Strache ging damit 2008 auf Tournee, und nun ist es Herbert Kickl mit einem Remix: "Sie sind gegen ihn, weil er Österreich schützen will." Gemeint ist er selbst, Kickl, der als Innenminister entlassen wurde. Doch er will zurückkehren, für Österreich - versteht sich -, auch wenn das alle verhindern wollen, von der ÖVP bis zum Bundespräsidenten.

Dass sich die FPÖ in die Rolle des gesellschaftlichen Außenseiters begibt, den das Establishment bekämpft, ist nicht neu, und die Erzählung hat auch ein gewisses Fundament. Zwar durfte sich Haider wirklich nicht über zu wenig mediale Aufmerksamkeit beklagen, doch die FPÖ blieb im polit-medialen Komplex ein Außenseiter. Zu ihren Festen kamen die Wirtschaftsbosse, Chefredakteure und Seitenblicke-Teams eher nicht.

Nun singt auch Sebastian Kurz das blaue Lied. Nachdem völlig abstruse Vorwürfe gegen ihn (und gegen andere Parteien und Politiker) auf irgendeiner Verschwörungsseite von der ÖVP entdeckt und von dieser selbst publik gemacht wurden, wandte sich Kurz via Facebook an seine Unterstützer. Er werde "von links und von rechts" mit Schmutz beworfen. Und er kommt zum Schluss: Wenn nun nicht alle "gemeinsam Farbe bekennen", dann würden "am Ende jene jubeln, die derzeit mit allen Mitteln gegen uns kämpfen".

Das ist fast dieselbe Platte. Und, natürlich, Strategie. Doch für Kurz stimmt sie nicht. Er war früh umschwärmt, die Popularitätswerte sind in etwa auf dem Niveau aller FPÖ-Politiker zusammen. Er hat Industrielle und Unternehmer um sich geschart und zu Spendern gemacht. Und dass sich die Medien gegen Kurz verschworen hätten, lässt sich auch nicht behaupten.

Ja, es gab Kritik. Und teilweise war sie sehr aufgeregt, mehr als früher. Doch die Berichterstattung zur großen Koalition war eine einzige mediale Kritik von Karl-Löbl’schem Ausmaß. Oder gab’s irgendeine rotschwarze Maßnahme, die gefeiert wurde? Vielleicht ist Kurz auch empfindlicher.

Gewiss, auf Twitter hat er wahrlich kein Heimspiel. Doch dort sind nur zwei Prozent der Österreicherinnen und Österreicher registriert. Es tummeln sich halt viele Journalistinnen, PR-Leute, Politiker und ihre Mitarbeiter herum, und dann kann es schon passieren, dass man die Welt des blauen Vogerls mit der echten Welt verwechselt, sich ständig angefeindet fühlt. Die Wirklichkeit "da draußen", wie Politiker gern sagen, wenn sie auf Wahlkampf gehen, ist eine andere. Kurz ist und bleibt populär und sollte sich, als Ex-Kanzler, keinen Wettkampf mit Kickl liefern, wer mehr bekämpft wird. Wie wär’s mit Inhalt? Und wann kommt das Wahlprogramm? Um den Kurz-Wahlkampf-Hit aus dem 2017er-Jahr zu zitieren: "Es ist Zeit."