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Fachverband: "Schwierig" zu erfüllen.| Kurzarbeit gegenüber dem Vorjahr wieder angestiegen, Ruf nach Reform.
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Wien. Es geht wieder los. Sieben Stunden sind für die zweite Lohnverhandlungsrunde der Metaller veranschlagt, die heute, Mittwoch, in der Wirtschaftskammer in Wien über die Bühne gehen wird. Über Themen oder gar eine Stoßrichtung hielten sich am Dienstag sowohl Gewerkschaften als auch Arbeitgeber bedeckt.
Klar ist die Ausgangslage: Bereits im Spätsommer hatte der Fachverband der Maschinen- und Metallwarenindustrie (FMMI) erklärt, man wolle diesmal nicht gemeinsam mit den fünf anderen Fachverbänden verhandeln. Der FMMI ist mit 120.000 Beschäftigten der größte Verband der Branche, die rund 180.000 Beschäftigte zählt. Die Maschinenbauer argumentieren ihr Ansinnen mit der unterschiedlichen Struktur der Verbände - so seien die im FMMI vereinten Firmen zu 90 Prozent Familienunternehmen, sehr stark exportorientiert und unterlägen anderen Zyklen als etwa die Eisen- und Stahlindustrie.
Seitens der Gewerkschaften befürchtet man indes eine Zersplitterung des Kollektivvertrags: Wenn alle sechs Fachverbände jedes Jahr unterschiedliche Lohnerhöhungen verhandeln und verschiedene Zusatzvereinbarungen treffen, komme es zwangsläufig zu einer Zersplitterung des Kollektivvertrags, heißt es aus der Produktionsgewerkschaft ProGe. FMMI-Obmann Christian Knill bestreitet das im Gespräch mit der "Wiener Zeitung": Der Kollektivvertrag bliebe in jedem Fall bestehen - dann eben nur mit sechs verschiedenen Anhängen.
Daneben haben Rainer Wimmer für die ProGe und Karl Proyer für die Angestelltengewerkschaft GPA beim ersten Verhandlungstermin vergangene Woche noch einen großen Brocken auf den Tisch gelegt: Sie forderten fünf Prozent mehr Lohn und Gehalt für alle Beschäftigten der Branche. Für Knill ist diese Forderung "nicht nachvollziehbar", da die Gesamtproduktivität sinke. "Wenn man die Beschäftigung im Land halten will, werden fünf Prozent schwierig sein."
Bereits vergangenen Mittwoch hat die Arbeitgeberseite einen Katalog mit Sachforderungen präsentiert, der laut Gewerkschaften aber zu unkonkret ist. Darin findet sich der Ruf nach einem "Beschäftigungs- und Standortsicherungspaket" - in der ProGE vermutet man, dass sich dahinter der Ruf nach mehr Arbeitszeitflexibilisierung verbirgt. Laut Knill, für den sein Stellvertreter Johannes Collini verhandeln wird, ist dies auch ein Thema. Es gehe darum, das, was jetzt schon in den Unternehmen auf diesem Gebiet passiert, auch kollektivvertraglich abzusichern. Details wollte er im Vorfeld aber nicht nennen.
Nächste Verhandlungsrunde am 5. Oktober geplant
Die Verhandlungen laufen am Mittwoch bis 17 Uhr, ein nächster Termin ist für den 5. Oktober anberaumt, am 15. wollen die Gewerkschaften schon mit den anderen Fachverbänden verhandeln. Ein Streik wie 2011 steht noch nicht im Raum: "Kampfmaßnahmen sind derzeit kein Thema", hieß es unisono. Sehr wohl Thema ist allerdings die Kurzarbeit.

Dieser Begriff könnte in den Kollektivvertragsverhandlungen ab und zu fallen, denn die schwere Krise der Jahre 2008 und 2009 ist noch gut im Gedächtnis, sie könnte die Beratungen als Schreckensszenario begleiten. Die jüngsten Arbeitslosenzahlen (plus 5,8 Prozent im Vergleich zu August 2011) sowie wenig optimistische Ausblicke der Wirtschaftsforscher sind für die Gewerkschaften kein ideales Fundament für die Verhandlungen, im August des Vorjahres waren nur 193 Beschäftigte für Kurzarbeit gemeldet, diesen August bereits 1663.
Ob Österreich vor einer erneuten Kurzarbeitswelle steht, sei jedoch "schwer zu prognostizieren", sagt Gernot Mitter, Arbeitsmarktexperte der Arbeiterkammer. "Diese Zahlen sind nicht sehr signifikant." Beim Höchststand im April 2009 waren 37.652 Beschäftigte zur Kurzarbeit gemeldet. Anzeichen für solche Steigerungen sieht Mitter zwar nicht, "aber ausschließen kann man es natürlich nicht, wenn etwa die Syrienkrise den Erdölpreis hinauftreibt".
Auch die Industriellenvereinigung (IV) sieht derzeit keine Indizien, dass die Kurzarbeit noch in diesem Jahr neue Höhenflüge erlebt. "Wir haben zwar mehr Arbeitslose, gleichzeitig aber noch immer steigende Beschäftigungszahlen", erklärt IV-Sprecher Helwig Aubauer. Es ist ein gar nicht so unlogisches Kuriosum, denn die große Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt zieht zusätzliche Arbeitskräfte an, und zwar mehr, als dann tatsächlich einen Job finden. Von "vollen Auftragsbüchern" und einem Belegschaftsstand von "100 Prozent" berichtet auch Max Angermeier, der Betriebsrat der Austria Metall AG.
Allerdings weist Angermeier auch auf den Rückgang von Leiharbeitskräften in den Betrieben hin, und diese gleichen in der Industrie einem Seismographen. Im August hat sich der negative Trend in der Leiharbeitsbranche verfestigt, um mehr als elf Prozent ist die Arbeitslosenrate in diesem Segment angestiegen. "Wenn die Arbeitslosigkeit bei Leiharbeit steigt und etwa Urlaube angebaut werden, zeugt das schon von einem Rückgang in der Sachgüterproduktion", sagt AK-Experte Mitter.
Eine am Dienstag vom Wifo publizierte mittelfristige Beschäftigungsprognose sieht für die Sachgütererzeugung als einzigen Sektor ein Minus von 2,3 Prozent bis 2016 vor, während alle anderen ausgeschilderten Berufsgruppen mit Beschäftigungszuwächsen rechnen können. Als Indiz für eine zu erwartende Kurzarbeitswelle ist das aber nicht zu werten.
Industrie für Änderungen bei Kurzarbeit
Dennoch will die IV das mit der Gewerkschaft vor vier Jahren ausverhandelte Kurzarbeitspaket wieder aufschnüren. "Es war für die Unternehmen teurer als in Deutschland", sagt Aubauer. Die damals beschlossenen Regelungen haben zwar eine Flexibilisierung und Verlängerung der Kurzarbeit gebracht, doch im Gegensatz zu Deutschland mussten die Unternehmen in Gehaltsverhandlungen mit der Gewerkschaft treten. "Kurzarbeit ist deshalb nicht so leicht machbar wie in Deutschland, wo diese ein Betrieb einfach nur anmelden muss", erklärt Mitter. Deshalb tauge das Schreckgespenst Kurzarbeit auch nicht als Drohgebärde in den KV-Verhandlungen, findet der AK-Experte.
Es sei denn, die IV setzt sich mit ihrem Begehr durch, die Kurzarbeitsregeln am unternehmerfreundlicheren Gesetz in Deutschland zu orientieren. "Dort wurde Kurzarbeit fünfmal häufiger in Anspruch genommen", sagt Aubauer. Auf Ebene der Sozialpartner habe man bereits das Thema angesprochen, "und das werden wir auch weiterhin tun", so Aubauer weiter. "Es ist sinnvoller, sich rechtzeitig damit auseinanderzusetzen." Bevor die Kurzarbeitszeitwelle nach Österreich schwappt. Wenn sie überhaupt kommt.