Analyse: Libanons Premier Saad al-Hariri bleibt vorläufig im Amt, die Probleme bleiben auch.
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Beirut/Wien. Nun also doch: Ein wenig Iran-Schelte und warnende Worte an die Hisbollah, aber dennoch ein Verbleib im Amt. Der libanesische Ministerpräsident Saad al-Hariri hat seine Meinung geändert und will nun doch nicht zurücktreten. Einzige Bedingung: die Neutralität der schiitischen Hisbollah. Damit verschafft der Premier der ganzen Libanon-Causa, in der die Perser und die Saudis in Beirut um die Vorherrschaft der Region buhlen, eine Atempause.
Hariri hatte Anfang November bei einem Besuch in Saudi-Arabien überraschend seinen Rücktritt angekündigt, Präsident Michel Aoun nahm diesen aber nicht an. Später hob der Sunnit Hariri seinen Rücktritt auf und erklärte, Aoun habe ihn darum gebeten. Was bleibt von Hariris Odyssee? Es klang nämlich nicht sehr sattelfest, wie sich Hariri nach tagelangem Rätselraten über seinen Verbleib geäußert hat. Ebenso wenig glaubwürdig war der Nachsatz, dass er nicht gegen seinen Willen in Saudi-Arabien festgehalten wurde. Was in den vergangenen Wochen im Libanon passiert ist, hat nur bedingt mit dem Land selbst zu tun. Vielmehr wurde das Land der Zedern von Riads Kronprinz Mohammed bin Salman, dem Hariri sehr nahesteht, offensichtlich benutzt, um eine Warnung an Teheran zu senden: Die Achse Beirut-Teheran gefällt uns nicht und wir werden sie so nicht dulden.
Groteskerweise war die Welt für Hariri noch zwei Wochen vor seiner Rücktrittserklärung in Ordnung. Nachdem es ihm gelungen war, erstmals seit 2005 ein Staatsbudget zu verabschieden, twitterte er über die "große Errungenschaft für den Libanon, für ein neues Zeitalter und für die Regierung", die sich "zu anderen Erfolgen, die wir in den letzten Monaten errangen", geselle. Überhaupt schien dem 47-jährigen Regierungschef das Unmögliche zu gelingen: In dem gespaltenen Land, in dem ein Teil der Bevölkerung zur syrischen Opposition hält, während die vom Iran gestützte Hisbollah-Miliz aufseiten von Syriens Präsident Bashar Assad kämpft, herrschte unter Hariri relative Ruhe.
Politisches Feigenblatt
Um diese zu garantieren und die Interessen der zwei regionalen Erzfeinde Saudi-Arabien und Iran auszutarieren, bildete er Ende 2016 eine Regierung mit der Schiitenmiliz Hisbollah - ein enormes Opfer für den Sunniten, soll die Organisation doch für den Mord an dessen Vater und Vorgänger Rafik Hariri im Jahr 2005 verantwortlich gewesen sein. Doch Hariris Balanceakt endete beinahe: Die Saudis wollten den Haussegen im Libanon in die Luft sprengen, das ist vorerst gescheitert. Der Iran steht nach der Episode gestärkt da, das Volk hält zu Hariri und die Saudis sind im Schmollwinkel. Eigentlich müssten der Iran und die Hisbollah Interesse haben, Hariri politisch am Leben zu halten.
Dank seiner Bereitschaft, als politisches Feigenblatt zu dienen, konnten sie zuletzt große Erfolge verbuchen und Schlappen vermeiden. Der Libanon blieb von neuen Sanktionen verschont, die Washington unlängst gegen die Hisbollah verhängte. Eine Nachfolgerregierung, in der die Hisbollah eine noch größere Rolle spielen könnte, müssten allerdings mit Strafmaßnahmen rechnen. Statt wirtschaftlichem Aufschwung droht dem Land dann der Bankrott. Hariris Rücktritt sollte deshalb wohl die Hisbollah in die Enge treiben, nachdem diese im syrischen Bürgerkrieg siegreich war und Hariri im Libanon zu immer größeren Zugeständnissen zwang. So soll der Iran im Libanon für die Hisbollah mehrere unterirdische Waffenfabriken errichten. Dass Hariri mit Saad Sakija erstmals einen Botschafter nach Damaskus entsandte und der Libanon somit das Regime Assads anerkennt, dürfte Riad ebenfalls nicht freuen.