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Die Bezeichnung "Promi-Time" ist nicht besonders edel, und ebenso wenig comme il faut ist es, wenn der Auftritt einer Dame um 17.50 Uhr angekündigt wird, aber erst um 18.05 Uhr stattfinden kann, weil vorher noch Werbung gezeigt werden muss. Aber eine wahre Dame regt sich über derlei nicht auf. Heiter und souverän betritt sie das Studio, aus dem "Willkommen Österreich" (ORF 2) live übertragen wird, nimmt Platz vor einem flackernden Kamin und plaudert mit der Moderatorin Martina Rupp: Lotte Tobisch, Schauspielerin, Opernballorganisatorin, Freundin bedeutender Menschen.
Thema am Dienstagnachmittag ist Theodor W. Adorno gewesen, der heuer seinen 100. Geburtstag gefeiert hätte. Lotte Tobisch war mit dem 23 Jahre älteren Philosophen eng befreundet - "platonisch", wie sie beiläufig klarstellt -, und sie beschreibt ihn als "ungemein zarten Menschen". Nicht ganz damenhaft sagt sie, über Adorno werde sehr viel "kluggeschissen", deshalb wolle sie ihn vor allem als liebenswürdigen Menschen in Erinnerung bringen. Zu diesem Zweck hat sie auch die Publikation ihres Briefwechsels mit Adorno gestattet. Das Buch wurde im Fernsehen eingeblendet, aber so klein, dass die genauen bibliografischen Angaben nicht zu erkennen waren. Hier sind sie: Theodor W. Adorno, Lotte Tobisch: "Der private Briefwechsel", herausgegeben von Bernhard Kraller und Heinz Steinert. Literaturverlag Droschl Graz/Wien 2003, 359 Seiten. In diesen Briefen spricht sich deutlich aus, was in den schnellen Fernsehminuten eher zu ahnen war: die große Sympathie, die zwischen der Schauspielerin und dem Denker herrschte.