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Kurzer Prozess mit Onkel Jang

Von Thomas Seifert

Politik

Machtkampf in Pjöngjang: Südkorea fürchtet Angriff als Ablenkungsmanöver.


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Pjöngjang. Nachrichten über die politischen Machinationen im Machtapparat des nordkoreanischen Regimes sind spärlich, knapp und notorisch unzuverlässig. Umso erstaunlicher ist der Bericht der staatlichen Zentralen nordkoreanischen Nachrichtenagentur KCNA über das Geständnis des in Nordkorea hingerichteten Onkels des Machthabers Kim Jong-un, Jang Song-thaek. Sein Plan sei es gewesen, mithilfe von ihm nahestehenden Armeeoffizieren oder "durch die Mobilisierung von bewaffneten Einheiten, die unter der Kontrolle von Getreuen" stehen, zu putschen, soll er während des Standgerichts am Donnerstag gesagt haben. "Ich dachte, die Armee könnte am Coup teilnehmen, wenn sich die Lebenssituation der Bevölkerung und der Armeeangehörigen in Zukunft verschlechtert."

Jang wurde vorgeworfen, bereits seit dem Tod des früheren Machthabers und Vaters von Kim Jong-un, Kim Jong-il, im Dezember 2011 auf die Machtübernahme hingearbeitet zu haben.

Ob Jang Song-thaek diese Aussagen tatsächlich getätigt hat oder zur Rechtfertigung des Todesurteils manipulierte Aussagen verbreitet wurden, lässt sich - wie so vieles in diesem bizarren Fall - nicht nachvollziehen. In nordkoreanischen Medien, etwa der Tageszeitung "Rodong Sinmun" und im staatlichen Fernsehen, wurde Jang als "Verräter" und "abscheulicher menschlicher Abschaum, der schlimmer als ein Hund war", beschimpft.

Machtkampf in Pjöngjang

Vieles deutet aber auf einen Machtkampf innerhalb der Machteliten in Pjöngjang hin. Der 67-Jährige wurde laut nordkoreanischen Quellen sofort nach seiner Aburteilung wegen "Hochverrats" hingerichtet. Mit Maschinengewehrsalven, wie südkoreanische Geheimdienstkreise in Erfahrung gebracht haben wollen.

Jang Song-thaek war 40 Jahre lang Teil der Nomenklatura und galt zuletzt als zweitwichtigster Mann in Nordkorea nach Kim Jong-un. Jang war mit Kim Kyong-hee verheiratet, einer Schwester von Kim Jong-il, der das Land von 1993 bis 2011 führte.

Wie die "Wiener Zeitung" am 9. Dezember berichtete, war Jang Song-theak bereits am Montag wegen "krimineller Machenschaften" von all seinen Ämtern entbunden worden. Sogleich wurden Bilder im Umlauf gebracht, die zeigen, dass Jang Song-thaek direkt aus einer Parteisitzung verhaftet wurde.

Die Regierung in der südkoreanischen Hauptstadt ist jedenfalls alarmiert: Verteidigungsminister Kim Kwan-jin sagte, dass die Armee "äußerst wachsam" sei, da es die Befürchtung gebe, dass Nordkorea eine militärische Provokation wagen könnte, um von der innenpolitischen Krise abzulenken. Nordkorea-Beobachter versuchen seit Bekanntwerden der Verhaftung von Jang, sich ein klares Bild der Lage zu verschaffen. Nach Meinung von Experten ist in Nordkorea ein Machtkampf im Gange, in dessen Folge weitere politische Säuberungswellen folgen könnten. Nach Informationen des südkoreanischen Geheimdienstes wurden im November bereits zwei enge Gefolgsleute von Jang hingerichtet.

Ostasienwissenschafter an der Universität Wien und Nordkorea-Kenner Rüdiger Frank sagt gegenüber der "Wiener Zeitung": "Im Moment ist nicht klar, ob die Hinrichtung von Jang Song-thaek der Beginn oder das Ende einer Säuberungswelle ist." Frank weist darauf hin, dass die Hinrichtung Jangs auch als Signal an Peking gedeutet werden könne, sich nicht in die inneren Angelegenheiten Nordkoreas einzumischen.

Denn in der bizarren Liste von Vergehen, die Jang neben Hochverrat zur Last gelegt werden, fanden sich auch Korruption, Spielsucht, Frauengeschichten, Drogenmissbrauch, Geldverschwendung und Ausverkauf von Rohstoffen an China. "Das letzte Mal, als es eine derart offene Verfolgung von in Ungnade gefallenen Mitgliedern der Nomenklatura gab, war im Jahr 1956 - damals wurden vor allem Mitglieder einer pro-chinesischen Fraktion verfolgt."

In einer Analyse auf der Website "38 North" schreibt Rüdiger Frank, dass Jangs Fall damit zusammenhängen könnte, dass der Staat nach Milliardeninvestitionen zur Verbesserung der Lebenssituation der Bevölkerung vor dem Bankrott steht und Jang als willkommener Sündenbock für die nun bevorstehenden notwendigen Sparmaßnahmen herhalten wird müssen.