Mit einer Änderung des Dienstrechts soll einem vorzeitigen Ruhestand vorgebeugt werden.
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Die türkis-grüne Bundesregierung möchte bei der Justiz Frühpensionierungen vermeiden. Daher wird nun bei der Arbeitsbelastung der Richterinnen und Richter der Hebel angesetzt. Schon ab kommendem Jahr soll es möglich sein, dass Richter ab dem vollendeten 55. Lebensjahr die Belastung durch ein Herabsetzen der Dienstzeit reduzieren, um länger berufstätig zu bleiben. Diese Maßnahme ist in einer Novelle für das Dienstrecht enthalten, die von Beamtenminister Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) in Begutachtung geschickt wurde.
Derzeit kann die Auslastung von Richtern dann herabgesetzt werden, wenn sie aus Krankheitsgründen nur eingeschränkt dienstfähig sind. Hingegen ist eine Herabsetzung der Dienstzeit aufgrund des Alters - anders als bei allen anderen Beamtinnen und Beamten sowie bei sonstigen Vertragsbediensteten - nicht möglich. Eine Erhöhung des einmal gewählten, verringerten Ausmaßes der Beschäftigung ist, wie aus den Gesetzeserläuterungen hervorgeht, "grundsätzlich ausgeschlossen". Damit soll vermieden werden, dass Betroffene die Dienstzeit willkürlich ändern, weil das in der Rechtsprechung die Planbarkeit reduziert. Es soll aber "aus wichtigen dienstlichen Gründen" eine Reaktivierung ermöglicht werden.
Burnout vermeiden
Grund für die Maßnahme bei den Richtern ist, vorzeitige Ruhestände so gut es geht zu vermeiden. Denn derzeit würden, wie ebenfalls aus den Erläuterungen hervorgeht, in der Praxis Fälle auftreten, in denen mit fortschreitendem Alter zwar die Leistungsfähigkeit - speziell das Arbeitstempo - sinke, aber der Betroffene deswegen noch nicht dienstunfähig sei. Könne in derartigen Fällen nicht adäquat reagiert werden, so komme es regelmäßig zu Überforderung und damit Motivationsverlust, was erst recht zu Dienstunfähigkeit führen könne. "Damit gehen der Justiz wertvolle, erfahrene Arbeitskräfte verloren", wird als Begründung für die Neuregelung angeführt. Durch das Herabsetzen der Auslastung und der Dienstzeit sollen daher Pensionierungen wegen Dienstunfähigkeit und Burnout vorgebeugt werden und die Zahl der Bediensteten, die bis zum gesetzlichen Pensionsalter ihren Dienst versehen, erhöht werden. Darüber hinaus werde mit der Neuregelung eine "nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung gegenüber allen anderen Bundesbediensteten beseitigt", wird klargestellt.
Zwei Varianten
Konkret sieht der Entwurf von Beamtenminister Kogler daher folgende Varianten vor: Richtern wird gewährt, ihre Auslastung und Dienstzeit nur um 25 Prozent nach der Vollendung des 55. Lebensjahres zu reduzieren, oder es wird ihnen gewährt, sie ab Vollendung des 60. Lebensjahres um 25 Prozent oder um 50 Prozent zu senken. Dabei gibt es eine Einschränkung aufgrund "dienstlicher Interessen", die einer Reduktion der Arbeitsbelastung entgegenstehen. Dazu zählt ein Mangel an geeigneten Ersatzkräften oder die "Unabkömmlichkeit" der konkreten Richterin oder des betreffenden Richters etwa wegen der Zuständigkeit für ein Großverfahren. Eine Reaktivierung kann nur nach Zustimmung des betroffenen Richters erfolgen.
Für Staatsanwälte gebe es bereits die gesetzliche Möglichkeit, die regelmäßige Wochendienstzeit "aus beliebigem Anlass" zu reduzieren. Daher müsse die Neuregelung zur Reduktion der Dienstzeit für Richter auf Staatsanwälte nicht anwendbar sein, argumentiert das für den öffentlichen Dienst zuständige Ministerium.
Verfahrensdauer
Für Bürger, die mit einem Verfahren vor Gericht konfrontiert sind, ist allerdings schon jetzt nicht selten Geduld gefragt. Dem hält allerdings das Justizministerium den Hinweis entgegen, dass 2016 zivilrechtliche Verfahren durchschnittlich bei Bezirksgerichten sechs Monate und bei Landesgerichten 13 Monate gedauert haben. Nur 2,3 Prozent der rund 45.000 Zivilverfahren hätten laut dieser Statistik länger als drei Jahre gedauert. Bei Strafverfahren seien es 2016 im Median (die Hälfte länger, die andere Hälfte kürzer) bei Bezirksgerichten 0,6 Monate und bei Bezirksgerichten 1,1 Monate gewesen.
Im Büro von Vizekanzler Kogler wird auf Anfrage der "Wiener Zeitung", ob mit der Möglichkeit einer kürzeren Dienstzeit für ältere Richter ab 55 Jahren nunmehr Verzögerungen bei Verfahren zu erwarten seien, beruhigt: "Mit Auswirkungen auf die Verfahren ist nicht zu rechnen." Was die Berechnung der Planstellen für Richter betrifft, so erfolge diese "im Hintergrund". Grundsätzlich sei die Novelle auf Wunsch des Justizressorts erfolgt.