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Sebastian Kurz hat - so sagen es alle Umfragen - die besten Chancen, bei der Nationalratswahl als Sieger hervorzugehen und anschließend Bundeskanzler der Republik Österreich zu werden.
Nun sollte ein Bundeskanzler das Land einen und alles tun, um eine friedliche und prosperierende Gesellschaft in Freiheit zu ermöglichen. Das findet sich auch in seinem türkisen Wahlprogramm. Doch etliche seiner Äußerungen gehen in eine ganz andere Richtung - und diese Diskrepanz macht stutzig.
Beispiel Wien: Er lässt kaum eine Gelegenheit aus, die Bundeshauptstadt schlechtzureden. Dass er damit die in der Stadt regierende SPÖ treffen will, mag parteipolitisch verständlich sein. Die Wahl seiner Mittel ist es nicht. Österreicher würden Wien verlassen, dafür würden sehr viele "Ausländer" zuziehen, sagte er jüngst.
Nun ist es für einen Kanzlerkandidaten grundsätzlich keine gute Idee, das Volk in "die" und "wir" einzuteilen. So wird ausschließlich gesellschaftliche Spaltung vorangetrieben. Dass die meisten "Österreicher", die Wien verlassen, ins niederösterreichische Umland ziehen, um im Grünen oder auch nur billiger zu wohnen, ließ Kurz unerwähnt.
Sein ständiger Hinweis auf die Gefahren des "politischen Islam" gibt ihm zwar eine "Law and Order"-Aura - eine gewollte Taktik, ohne Zweifel. Aber dies birgt die Gefahr einer gesellschaftlichen Spaltung. Kurz macht damit als ÖVP-Obmann das Einfallstor für eine undifferenzierte Diffamierung von 700.000 Muslimen weit auf. Angesichts des sensiblen Themas sollte ein Kanzlerkandidat hier sorgfältig auf seine Worte achten, denn die überwältigende Mehrheit dieser Mitbürger steht radikalen Gruppen und Terror genauso fassungslos gegenüber wie der "autochthone" Österreicher.
Kurz’ europapolitische Ansichten konzentrieren sich stark auf Sicherheit (Schutz der EU-Außengrenzen). Das ist richtig, aber auch nur ein kleiner Ausschnitt dessen, was Europa in Zukunft leisten muss, um Wettbewerbsfähigkeit, Wohlstand und Freiheit (auch in Österreich) zu sichern.
Kurzum, die vom ÖVP-Obmann geäußerten Ansichten stehen oftmals im Gegensatz zu den erhofften Zielen, die in ÖVP-Programmen mit "Aufbruch und Wohlstand" oder neue "Gerechtigkeit und Verantwortung" beschrieben werden. Es bleiben 14 Tage, diese Diskrepanz aufzuklären.