Seit Jahren steht die Social-Media-Plattform aufgrund der Nähe zur chinesischen Regierung in der Kritik.
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Zensur in Echtzeit. Ein Unternehmen, in dessen Aufsichtsrat seit 2021 ein Mitglied der herrschenden Einheitspartei KP sitzt. Die Rede ist von Beijing Bytedance Technology Ltd. So heißt die Firma hinter der Kurzvideoplattform TikTok und deren rein in China tätigem Pendant Douyin. Aufgrund der Nähe von ByteDance zur chinesischen Regierung steht das Unternehmen seit Jahren unter Beobachtung. In den USA, Kanada und der Europäischen Kommission müssen Beamte TikTok wegen Sicherheitsbedenken nun von ihren Handys löschen. Auch Österreich überlegt, die Kurzvideo-App von den Handys der Behördenmitarbeiter zu verbannen.
Während über die staatliche Zensur ungewollter Inhalte - von Wörtern wie homosexuell, queer oder schwul bis hin zu Auschwitz und Nationalsozialismus - relativ viel bekannt ist, drehen sich die Bedenken westlicher Staaten aktuell um mögliche Überwachungsmaßnahmen: "Bei TikTok ist das Problem, dass es ein chinesisches Unternehmen ist und China eine sehr problematische Einstellung hat, was Überwachung betrifft", sagt Hannes Stummer von Epicenter Works, einem Verein für Grundrechtspolitik.
Relativ undurchsichtig sei es bisher, inwiefern die chinesische Regierung TikTok als Überwachungsinstrument außerhalb Chinas nutzt: "Regierungskritiker, Journalisten, aber auch Leute, die sich zu Protestbewegungen formieren, und unterdrückte Minderheiten sind da natürlich besonders gefährdet."
Aufstieg zum wertvollsten Start-up der Welt
Die Geschichte von TikTok ist mittlerweile fast zehn Jahre alt. 2014 gründeten zwei chinesische Unternehmen die App Musical.ly: Eine Plattform, auf der User 15-Sekunden-Sequenzen aufnehmen, bearbeiten und teilen konnten. Drei Jahre später kaufte das 2012 gegründete ByteDance das Unternehmen für eine Milliarde Dollar. Viele inaktive Nutzer und ein Nährboden für Pädophile zwang ByteDance zur Einstellung von Musical.ly. Zeitgleich arbeitete man damals bereits an einer ähnlichen App: Douyin, allerdings exklusiv für den chinesischen Markt.
International setzt das chinesische Unternehmen seit 2017 auf die neu gegründete Plattform TikTok. Fünf Jahre später nutzen rund 1,7 Milliarden Menschen weltweit die Kurzvideoplattform. Vor allem Teenager und junge Erwachsene sind für den Aufstieg zum zweitmeistgenutzten sozialen Medium weltweit verantwortlich. Rund die Hälfte aller User ist zwischen 13 und 25 Jahre alt. Viele Experten beziffern den Wert von ByteDance mit mehr als 100 Milliarden US-Dollar. Damit wäre es das wertvollste Start-up weltweit. Laut der Agentur Insider Intelligence soll TikTok alleine im vergangenen Jahr mehr als 10 Milliarden Euro umgesetzt haben.
Spionage durch Kontakte und Kalender?
Problematisch könnte TikTok für westliche Länder wegen der zahlreichen Berechtigungen sein: "Die App hat sehr umfangreiche Berechtigungen: Zugriff auf den Kalender, die genauen Standortdaten. Man könnte hier theoretisch sehr viel ausspionieren, wann sich welche Leute miteinander treffen oder welche Kontakte jemand auf seinem Handy eingespeichert hat", so Stummer. Generell warnt der Grundrechtsexperte davor, dass man sich bei der Nutzung sozialer Plattformen immer der Willkür der Algorithmen aussetzt, "egal, ob das TikTok, Instagram, Facebook oder Twitter ist". Im Fall von TikTok sei dies insofern eine Spur problematischer: Sofern die Anschuldigungen, dass die chinesische Regierung ins Tagesgeschäft involviert ist, stimmen, würde das bedeuten, dass die Kommunistische Partei Chinas mitbestimmen könnte, was die User weltweit sehen und was nicht.
Kanada, USA und die Europäische Kommission - immer mehr Regierungen verbieten ihren Beschäftigten die Nutzung von TikTok auf dem Dienstgerät. Neben Verboten ist es laut Stummer aber auch wichtig, das Bewusstsein zu schärfen: "Helfen würde, noch mehr ,Awareness‘ aufzubauen, was das Wissen über die geteilten Daten angeht."
Gelingen könnte dies auch mithilfe des "Digital Service Act" der EU-Kommission: Gemeinsam mit dem "Digital Markets Act" sollen die Grundrechte im digitale Raum besser geschützt und gleiche Wettbewerbsbedingungen im europäischen Binnenmarkt ermöglicht werden. Beide Gesetzespakete treten mit 17. Februar 2024 in Kraft. Ab dann müssen die Schwergewichte im digitalen Raum unter anderem transparenter werden und stärker gegen Hassrede vorgehen.