Bären sind echte Winterschläfer, doch ihre Körper bleiben warm. | Verschiedene Tiere folgen unterschiedlichen Mechanismen. | Fairbanks/Berlin/Wien. "Bären sind echte Winterschläfer", betont Walter Arnold, Leiter des Forschungsinstituts für Wildtierkunde und Ökologie der Veterinärmedizinischen Universität Wien.
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Bisher galt das Winterschlaf-Gesetz, eine um zehn Grad kühlere Körpertemperatur würde zu einer 50-prozentigen Verringerung des Stoffwechsels führen. Der echte Winterschläfer verwandelt sich demnach vereinfacht ausgedrückt im Herbst von einem Warmblüter in einen Kaltblüter, indem er seine Körpertemperatur annähernd der Umgebungstemperatur anpasst. Eine Winterruhe setzt hingegen nach der bisherigen Lehrmeinung nur bei gleichwarmen Tieren ein.
Nun berichten Brian Barnes und Øivind Tøien von der Universität von Alaska in Fairbanks im Fachblatt "Science" von Schwarzbären, die einen echten Winterschlaf halten, bei dem sie bis zu sieben Monate lang ohne Klo- und Jausenpausen auskommen. Dennoch bleiben ihre Körper warm.
Messgeräte im Körper,bärentaugliche Höhlen
Die Forscher implantierten fünf Schwarzbären kleine Messgeräte, die Herzschlag, Temperatur und Muskel-Aktivität an sie übermittelten. Im Herbst wurden die Tiere in eine große Holzkiste im Wald gesetzt, die mit Stroh bärentauglich ausgerüstet war. Infrarotkameras und Bewegungsmelder registrierten das Verhalten der Tiere und funkten Erstaunliches: Statt wie in den sommerlichen Ruhephasen jede Minute 55 Mal zu schlagen, ließ der nächste Herzschlag der schlafenden Bären manchmal 20 Sekunden auf sich warten. Gleichzeitig atmeten sie nur selten und verbrauchten so wenig Sauerstoff. Daraus berechneten die Forscher, dass ihr Organismus nur ein Viertel der Energie umsetzt wie während sommerlicher Ruhepausen. Die Bären halten also einen echten Winterschlaf, um Energie zu sparen.
Dennoch bleibt ihre Körpertemperatur relativ hoch: Während kleinere Murmeltiere bis auf sieben Grad abkühlen, maßen die Forscher bei den Bären mindestens 30 Grad. Ab dann zittern die Tiermuskeln so lange, bis wieder 36 Grad im Körperinneren herrschen. Die Forscher vermuten, dass der Organismus so Kälteschäden in den Zellen vermeidet.
"Der Artikel markiert einen Paradigmenwechsel", sagt Arnold. Bisher war die Lehrmeinung, dass Winterschläfer ihre Körpertemperatur senken, um Energie zu sparen. "Nun aber gibt es deutliche Indizien, dass es sich umgekehrt verhält", erklärt der Wiener Forscher: Gibt es in einer Notsituation kaum Nahrung, drosseln Säugetiere zunächst den Energieverbrauch in ihrem Körper. In der Folge schaltet sich ihre innere Heizung herunter.
Unterschiedliche Tiere haben zudem unterschiedliche Strategien. Murmeltiere etwa lagern ungesättigte Fettsäuren in die Membranen ihrer Zellen ein, damit die Membranen bei sinkenden Temperaturen beweglich bleiben und die eingelagerten Enzyme weiter funktionieren. Rothirsche hingegen schalten in kalten Nächten auf Sparflamme. Das Innere ihres Körpers kühlt dabei zwar nur um ein oder zwei Grad ab, in der Peripherie aber drosseln die Tiere die Blutzufuhr massiv. Die Hirsche fahren ihren Organismus und die Körpertemperatur wieder hoch, wenn die Mittagssonne die Landschaft ein wenig auftaut.
Steinböcke fahren Energien nur langsam hoch
Weniger tun sich die Steinböcke an. Auch bei ihnen stimmt die klassische Definition vom Winterschlaf nicht mehr, haben die Wiener Forscher Claudio Signer, Thomas Ruf und Walter Arnold gezeigt. Messgeräte haben gezeigt, dass ein Steinbock-Herz im Winter um 60 Prozent langsamer schlägt als im Sommer. Die Tiere leben zu dieser Zeit in 3000 Metern Höhe. In der Nacht wird der Stoffwechsel stark gedrosselt und die Steinböcke kühlen ab. Würden sie aber jeden Morgen Stoffwechsel und Körpertemperatur mit Hilfe ihrer Fettreserven wieder hochfahren, würden sie dabei so viel Energie verbrauchen wie sie in der Nacht gespart haben. Die Steinböcke vermeiden dieses Nullsummenspiel, indem sie sich von ihrem Ruheplatz langsam auf einen sonnigen Felsen schleppen. Bis zum Mittag wärmt die Sonnenenergie dann den Körper auf.
Auch die Bären in Alaska kehren nur langsam zu ihrem sommerlichen Tatendrang zurück: Zwei bis drei Wochen nachdem sie aus dem Winterschlaf aufwachen, läuft ihr Stoffwechsel noch mit halber Kraft. Erst danach sind sie wieder ganz die Alten.