"Für den Fall, dass eine Partei die andere bei Gesetzesbeschlüssen (.. .) überstimmt, verpflichten sich die beiden Koalitionsparteien, gemeinsam einen Neuwahlantrag zu beschließen." Beinahe sieht es so aus, als könnte dieser im Regierungsprogramm eingebaute Selbstzerstörungsmechanismus der Koalition schlagend werden. Aber nur beinahe. | Denn mit dem Plan von Bildungsministerin Claudia Schmied, den Lehrern zwei Stunden Arbeit in der Woche ums gleiche Geld aufzubrummen, sind zwar viele ÖVP-Vertreter nicht einverstanden. Wäre diese Causa aber vor einem Jahr aufgetaucht, hätten die Generalsekretariate einander erbitterte Wort- und Textgefechte geliefert. Das ist diesmal ausgeblieben - ein Zeichen dafür, dass ein jähes Ende des rot-schwarze Kuschelkurses derzeit wohl nicht zu erwarten ist.
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Schmied pocht nun darauf, dass Finanzminister ÖVP-Chef Josef Pröll ihr seine Rückendeckung für ihr Vorhaben versichert habe. Pröll hingegen gibt lediglich zu, dass die Ausweitung der Lehrverpflichtungen eines von vielen Themen bei den Budgetverhandlungen gewesen sei. Für die Umsetzung sei Schmied selbst verantwortlich. Heißt im Klartext: Den Streit mit den Gewerkschaftern wird man ihr nicht abnehmen. Wissenschaftsminister Johannes Hahn hat aber bereits anklingen lassen, dass "alles bestens" sei, wenn Schmied es schaffen sollte, die Lehrer zu überzeugen.
Weniger verständlich als die Reaktion der ÖVP wirkt da schon jene der SPÖ. Denn auch in den eigenen Kreisen scheint es Schmied an Rückhalt zu fehlen. Offene Ablehnung kam zunächst von Salzburgs Landeshauptfrau Gabi Burgstaller und von der sozialdemokratischen Fraktion in der Lehrergemeinschaft - bei ersterer liegt die Ursache wohl im nahen Wahltermin, bei letzterer an der Interessenslage als Betroffene.
Doch warum hat Bundeskanzler Werner Faymann so lange mit einer Reaktion gewartet? Auch hier spielt wohl der ungünstig gewählte Zeitpunkt eine Rolle: Mit der Verkündung einer unpopulären Maßnahme drei Tage vor wichtigen Wahlen hat die Ministerin der SPÖ einen Bärendienst erwiesen, darin sind sich politische Beobachter einig.
Auch sonst ist die Art der Kommunikation wohl nicht gerade die feine englische. Zwar erscheint es logisch, dass in Zeiten der Krise auch Staatsbedienstete zurückstecken müssen. Die streitbaren Gewerkschafter aber nur via Aussendung zu informieren, hat deren Widerstand erst recht angefacht. Schmied hat allerdings ohnehin mit Widerstand gerechnet. Vielleicht ist sie bewusst nach dem Prinzip "Augen zu und durch" vorgegangen.
Nun liegt es an ihr, die Situation zu entschärfen, und dafür wird sie über kurz oder lang sehr wohl den Rückhalt der Regierung brauchen. Vielleicht nach dem Wahltag...