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Der Berliner Essayist Michael Rutschky hat einmal behauptet, dass die DDR in gewissem Sinne erst nach 1989 entstanden ist. Erst da sei - durch den offenen Kontrast zu westlichen Gewohnheiten und Herausforderungen - so etwas wie ein echtes Zusammengehörigkeitsgefühl der Ostdeutschen entstanden. Diese Form der (N)ostalgie macht sich nun - nach dem Film-Erfolg von "Good Bye, Lenin!" - auch das Fernsehen zunutze. In der am Mittwoch auf RTL gestarteten, 4-teiligen "DDR-Show" wird ein knallbuntes Erinnerungsalbum einer grauen Zeit aufgeklappt. Sportstars wie Katharina Witt (die die Show gemeinsam mit dem clowngesichtigen Oliver Geißen moderiert) und Henry Maske erinnern sich bestgelaunt an Plattenbauten, Trabis und Rotkäppchensekt. TV-Ausschnitte, wackelige Filmchen und der abschließende Auftritt der einstigen DDR-Pop-Heroen Karat erzeugen eine wohlig-heimelige Atmosphäre, ein Zurückkuscheln in den Kunstplüsch einer Spießerdiktatur. Damit die Verklärung aber nicht zu rosig ausfällt, darf eine Dame auch von den Torturen einer zehnjährigen Lagerhaft erzählen, die sie als 13-jähriges Mädchen erleiden musste, nachdem sie ein Stalin-Bild mit einer gezeichneten Schleife ver(un)ziert hatte.
Dass die Konkursmasse DDR nun also auch der Unterhaltungsindustrie anheimfällt, mag der eine oder andere ideologisch bedenklich finden, aber die Show ist flott gemacht, informativ und abwechslungsreich. So etwas sieht man allemal lieber als die x-te Wiederholung des "Bullen von Tölz" oder gar einen Gabriel-Barylli-Film, mit denen der ORF sein Quotenloch spielend prolongiert.