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Labour ringt um Vertrauen

Von WZ-Korrespondent Peter Nonnenmacher

Europaarchiv

Vorsitzender Miliband wirbt auf Parteitag um "verprellte Wähler". | Opposition konnte von Zwistigkeiten in Koalition nicht profitieren.


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London. Sechzehn Monate nach dem Verlust der Macht in London hat sich die britische Labour Party noch immer nicht recht erholt. Parteivorsitzender Ed Miliband und seinem Führungsteam fällt es schwer, das Wählervertrauen wieder zu gewinnen, das Tony Blair und Gordon Brown einst für sich reklamierten, um es dann auf spektakuläre Weise zu verlieren.

Auf dem Labour-Parteitag in Liverpool, suchte Miliband nun erneut die Basis für ein besseres Verhältnis zu den "verprellten Schichten" früherer Labour-Wähler zu legen. Er wisse, dass Labour im Wirtschaftsbereich Vertrauen eingebüßt habe, doch sei er entschlossen, dieses Vertrauen wieder herzustellen - weshalb eine Labour-Regierung unter seiner Leitung "nur noch das finanzieren würde, was wir uns auch wirklich erlauben können".

Leicht fällt es dem Oppositionsführer nicht, argwöhnische Wähler von seinen Vorzügen und jenen seiner Fraktion zu überzeugen. Ausgerechnet in der Parteitagswoche ist die Labour Party in Meinungsumfragen hinter die Konservativen zurückgefallen. Dem Umfrage-Institut ComRes zufolge würden die Briten heute zu 37 Prozent Tories wählen, wenn sie zu den Urnen gerufen würden. 36 Prozent der Stimmen würden auf Labour entfallen, 12 Prozent auf die Juniorpartner der Konservativen, die Liberaldemokraten.

Milibands persönliche Werte lassen noch mehr zu wünschen übrig. Nur ein Viertel seiner Landsleute hält ihn für einen "glaubwürdigen" Kandidaten fürs Amt des Regierungschefs. 57 Prozent sprechen ihm von vornherein diese Fähigkeit ab. Sogar im Labour-Lager betrachtet ihn jeder Dritte als ungeeignet.

Böse Erinnerungen

Das sind miserable Ergebnisse für Labour - vor allem vor dem Hintergrund globaler Finanzkrisen, drakonischer Haushaltskürzungen und rasch wachsender Arbeitslosigkeit im Vereinigten Königreich. Zur zunehmend zerstrittenen Regierungs-Koalition aus Konservativen und Liberalen bildet Labour die einzige politische Alternative. Doch wesentlich profitiert hat die Opposition von dieser Situation noch nicht.

Zu viele Briten hegen böse Erinnerungen an die Spätzeit der New-Labour-Ära - an den Irak-Krieg, an freizügige Staatsausgaben, an die geringe Kontrolle der Banken. Zu wenige halten Labours jetzige Pläne für überzeugend. Trösten dürfen sich Miliband und seine Parteigänger immerhin damit, dass die Fraktion nach ihrem schmerzhaften Sturz aus der Macht im Mai des Vorjahres sich nicht in Diadochenkämpfen verlor - wie die Konservativen, als sie 1997 von Blair entmachtet wurden.

Relativ schnell hat man bei Labour erkannt, dass man sich von einem unbeliebten früheren Kurs absetzen müsse. Auch sucht die Partei mit einer Reihe von Offensiven politisches Terrain gutzumachen. So würde sie gern, wenn sie könnte, den astronomischen Anstieg der Gas- und Elektrizitätsrechnungen stoppen, "unverhältnismäßige" Preiserhöhungen beim Zugverkehr rückgängig machen und die von der Regierung geplante neue Obergrenze für Studiengebühren von 9000 Pfund auf 6000 Pfund senken.

Debatte um Ausgaben

Generell würde Schatten-Schatzkanzler Ed Balls gern mit zusätzlichen staatlichen Investitionen und einer Herabsetzung der Mehrwertsteuer die immer mehr erlahmende britische Wirtschaft ankurbeln. Die Konservativen halten ihm vor, 20 Milliarden Pfund mehr ausgeben zu wollen - und damit das Haushalts-Sanierungsprogramm der Regierung zu gefährden. Balls seinerseits spricht von erneuten Steuern auf Banker-Boni, um Zusatzausgaben wettzumachen.

Unterdessen ringen Fürsprecher radikaler Lösungen, vor allem aus dem Gewerkschaftslager, noch mit den Advokaten einer Rückkehr zum wirtschaftsfreundlichen "Blairismus" um Milibands Ohr und Gunst. Die Gewerkschaften nehmen dem Parteichef übel, dass er für November angesetzte Streikaktionen gegen Kürzungen nicht unterstützen will. Er selbst suchte zu unterstreichen, dass er auf der Seite "der Verantwortungsbewussten und der hart Arbeitenden im Lande" stehe.