Der populäre SPD-Bürgermeister steht vor seiner Wiederwahl.
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Berlin/Wien. Klaus Wowereit fühlt sich wohl im Wahlkampf. Mal spaziert der Berliner Bürgermeister mit offenem Hemdkragen durch die Stadt und scherzt mit Jugendlichen darüber, wie glücklich diese sein müssen, dass die Schule wieder begonnen hat. Dann verteilt er an alte Leute Teddys für die Enkelkinder.
Der SPD-Politiker lacht und lächelt viel und hat auch allen Grund dazu. Am Sonntag wählen die Berliner ein neues Abgeordnetenhaus und damit indirekt auch den Bürgermeister. Und die Sozialdemokraten liegen in den Umfragen mit 32 Prozent Zustimmung überlegen vorne. Wowereit steht somit vor einer dritten Amtszeit.
Vor einem Jahr sah alles noch ganz anders aus: Damals waren SPD und Grüne in den Befragungen gleichauf. Dass die SPD nun wieder gut zehn Prozentpunkte vor den Grünen rangiert, hat laut politischen Beobachtern einen Grund: Klaus Wowereit.
Die Sozialdemokraten haben ihren Wahlkampf ganz auf ihren populären Spitzenkandidaten zugeschnitten. Auf den Plakaten sieht man Wowereit, wie er mit einer alten Dame Händchen hält oder wie ihm ein Kind eine Krokodilpuppe auf die Nase drückt. Der Spruch dazu: "Berlin verstehen." Die Botschaft dahinter: Kein Politiker steht so für das Lebensgefühl der Hauptstadt wie Wowereit.
Tatsächlich geben die Berliner bei Umfragen immer wieder an, dass der Sohn einer Putzfrau zu ihrer Stadt passt. Warum der Mann, der Berlin als "arm, aber sexy" pries, so beliebt ist, lässt sich schwer erklären. Jedenfalls gilt Wowereit als charismatisch und schlagfertig. Und immer wieder ist von seiner schnoddrigen Art die Rede, die ja generell den Berlinern gerne nachgesagt wird.
Inhalte schneidet Wowereit nur am Rande an. Er verweist etwa auf die drei kostenlosen Kindergartenjahre, die seine Koalition mit den Linken geschaffen hat. Kritiker und politische Gegner wiederum werfen dem Bürgermeister die gestiegenen Mieten vor, oder dass rund 20 Prozent der 3,4 Millionen Berliner auf die eine oder andere Weise auf Sozialtransfers angewiesen sind.
CDU vor Grünen
Auch Renate Künast, die Spitzenkandidatin der Grünen, sprach immer wieder davon, dass Berlin aufholen müsse, kritisierte etwa die hohe Stadtverschuldung. Sie wollte Sachthemen in den Vordergrund rücken, gleichzeitig haben auch die Grünen ihren Wahlkampf auf die Person von Künast fixiert. Letztlich ist ihre Offensive an Wowereit abgeprallt.
Auch wenn die Grünen ein viel besseres Wahlergebnis als 2006 einfahren werden, ist Künast an ihren Ansprüchen gescheitert. Hatte sie doch verkündet, Bürgermeisterin werden zu wollen. Gleichzeitig machte sie immer klar, dass sie in die Bundespolitik zurückkehren werde, sollte sie in der Hauptstadt nicht triumphieren. Dass sie nicht in Berlin bleibt, schwächt nun im Endspurt des Wahlkampfes ihre Position.
Mittlerweile liegen die Grünen in Umfragen hinter der CDU. Für die Partei von Kanzlerin Angela Merkel ist das in der Stadt an der Spree schon ein Erfolg. Lange Zeit haben sich die Berliner Christdemokraten in Grabenkämpfen aufgerieben. Dem Vorsitzenden und Spitzenkandidaten Frank Henkel ist es gelungen, die Partei wieder zu einen.
Der FDP wiederum droht in Berlin das nächste Debakel bei Landtagswahlen, sie wird wohl den Einzug in das Abgeordnetenhaus verpassen. Die Liberalen waren in Berlin nie sonderlich stark verwurzelt, die derzeitige Schwäche der Bundespartei dürfte ihnen in der Hauptstadt den Rest gegeben haben.
Koalitionsfrage offen
Statt der FDP könnte eine junge Bewegung den Einzug in den Senat schaffen: die Piratenpartei, die aus dem Kampf für ein möglichst freies Internet hervorging. Sie setzt an, die Fünf-Prozent-Hürde knapp zu überspringen. Die Piraten wussten, dass Berlin die Stadt ist, wo sie eine Chance haben, und investierten dort massiv in den Wahlkampf.
Keiner konnte schließlich Wowereit gefährlich werden. Der Sieger steht fest, offen ist, mit wem der Jurist koaliert. Die SPD will sich alle Optionen offen halten. Die Wiederholung der rot-roten Koalition könnte an der Linken scheitern, die derzeit schwächelt. Rot-Grün gilt als die wahrscheinlichste Variante - aber ohne Renate Künast.