Multikulturelle Schauspieltruppe setzt auf Humor und Wissensvermittlung.
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Wien. Noch bevor man die Räumlichkeiten des neuen Interkulturellen Kindertheaters betritt, sind Gesang und Gelächter zu hören. Eine Gruppe junger, kostümierter Schauspieler aus Österreich, Albanien und Mazedonien übt gerade ein Stück, das sie am Montag vor einer Kindergartengruppe uraufführen werden.
Wir befinden uns am Quellenplatz im 10. Bezirk, in einem bunt angemalten Raum, der sich ironischerweise neben einem FPÖ-Parteilokal befindet. Die Schauspieltruppe ist multi-kulturell, das Stück spielt darauf an. Vier Buben und eine junge Frau blödeln, singen, hüpfen, reden, schreien, witzeln und lachen, was das Zeug hält. Das Ganze wirkt improvisiert, fast schon unprofessionell für das erwachsene Auge. Das Zielpublikum besteht jedoch aus zwei- bis sechsjährigen Kindern.
"Kinder in diesem Alter haben eine recht kurze Aufmerksamkeitsspanne, wodurch sich unsere Schauspieler viel bewegen müssen. Unsere Theaterstücke müssen sehr abwechselnd sein", sagt die mazedonische Muslimin Sanela Pattipeilohi, 29, Gründerin und Leiterin des Interkulturellen Kindertheaters Sen Men. Seit Oktober 2013 gibt es die Theatergruppe, die "Kinder aller Kulturkreisen ansprechen und auf die Vorteile von Interkulturalität und Mehrsprachigkeit aufmerksam machen möchte", wie Pattipeilohi sagt. Sie schreibt die Stücke selbst. Für Kinder schreiben ist ihre Leidenschaft. Schon 2011 hat sie ein Kinderbuch auf Bosnisch geschrieben und selbst publiziert.
"Ich habe lange darüber nachgedacht und bin zu dem Schluss gekommen, dass ein islamisches einerseits und interkulturelles Theater andererseits notwendig ist", sagt Pattipeilohi. Räumlichkeiten fand sie schnell. Interessierte Kindergruppen gab es auch, nur mit den Schauspielern wollte es nicht auf Anhieb passen. Ende Oktober 2013 brachte sie ihr erstes Kindertheaterstück über die Bühne. Damals musste ihr eigener Sohn, sieben Jahre alt, mitspielen, da es an Schauspielern mangelte. Das Stück handelte von einem Superhelden, Sen Men, der dem jungen Protagonisten des Stückes, Metin, die Wichtigkeit der Basmala beibringt, also der islamischen Anrufungsformel, die auf Deutsch "im Namen Gottes" bedeutet.
Im neusten Stück geht es um Geometrie. Das Stück will jedoch vermitteln, dass "alle Kinder dieser Welt gleich sind". Protagonist Metin will nicht Geometrie lernen, also bringt ihm Superheld Sen Men Kinder aus verschiedenen Ländern, darunter Russland, Mexiko und der Schweiz, um ihm zu zeigen, wie wichtig das Fach ist. Die Charaktere sind ein wenig klischeehaft angekleidet. Juan aus Mexiko trägt ein Poncho, Igor aus Russland ein Bärenfell. "Wir müssen mit visuellen Reizen arbeiten und diese sind manchmal leider klischeehaft. Kinder in dem Alter bekommen subtile Andeutungen ja nicht mit", verteidigt Pattipeilohi die Auswahl der Kostüme. Jeden Monat gibt es eine neue Aufführung mit einem neuen Zentralthema und neuen Nebenfiguren. Lediglich die Hauptfiguren Metin und Superheld Sen Men werden nicht ausgetauscht.
Afrika ist kein Land
Franz Joseph Danner, 29, ist als Schauspieler und künstlerischer Leiter vom Anfang an dabei. Er spielt den Superhelden Sen Men. Er hat etliche Kurzfilme gedreht und bei Kindertheaterstücken mitgewirkt. Für ihn ist diese Form des Theaters eine ganz besondere. "Du kannst auf der Bühne was Lustiges machen und die Kinder freuen sich, sie sind dir dankbar", sagt er. Eines der Ziele, die sich die Theatertruppe gesetzt hat, war die Wissensvermittlung. Danner war erstaunt zu sehen wie aufnahmefähig und interaktionsfreudig Kinder in dem Alter sind. Er erzählt von einem Theaterstück, das im Dezember aufgeführt wurde, in dem es um Kontinente ging. "Die Kinder haben nicht nur gelernt, wie man richtig buchstabiert, sie sind dann zu uns gekommen und haben sich über Kontinente erkundigt", erzählt er. "Wir haben ihnen beigebracht, dass Afrika ein Kontinent und kein Land ist", fügt Pattipeilohi freudig hinzu.
Nicht alle Stücke werden in den Räumlichkeiten im 10. Bezirk aufgeführt. Mittlerweile ist die Gruppe eine Theater Wandertruppe geworden, die auf Anfrage von Kindergarten zu Kindergarten pilgert und vor einer Gruppe von 20 bis 40 Kindern blödelt. Fast täglich haben sie einen Auftritt, der im Schnitt knapp eine halbe Stunde dauert. In den bühnenfreien Tagen proben sie. Das Geld reicht gerade für Materialkosten und minimale Entlohnung für die Schauspieler. Die Truppe steckt immerhin noch in den Kinderschuhen.
Sanela Pattipeilohy hatte eigentlich etwas anderes vor. Sie wollte eine islamisch-interkulturelle Kindergruppe gründen, in der sie neben Montessori auch mit den Theorien der Theaterpädagogik arbeiten wollte. Das 2011 geschriebene Buch war Teil ihrer Strategie, Migrantenkinder bereits in dem zarten Alter für Geschichten zu begeistern, die als Protagonisten Figuren aus dem eigenen, sprich migrantischen Umfeld haben. In "Reise nach Somalia" geht es um einen bosnischen Jungen, der unbedingt nach Somalia reisen möchte, um den dortigen Kindern Nahrung, Spielzeug und eine jede Menge Geschenke zu bringen. "Ich wollte den Kleinsten unter uns Philanthropie beibringen", sagt Pattipeilohi. Den geringen Umsatz aus dem Bücherverkauf verwendete sie für die geplante Kindergruppe. Doch ihr Plan erscheint ihr im Nachhinein ein wenig leichtsinnig. Der Weg zu einer Kindergruppe ist ein mühsamer und ein bürokratisches Prozedere, wie sie erfahren musste. "Es gibt viele Gesetze und Regulationen, die es zu beachten gibt. Und das ist eigentlich gut so, schließlich geht es um die Sicherheit der Kinder", sagt Pattipeilohi. Um die Zeit bis zur Genehmigung totzuschlagen, wandte sie sich wieder ihrer Leidenschaft und schrieb kurze Kindergeschichten. Daraus entstand dann die Idee für das Theater. Ab Februar bietet sie Workshops an, wo sie Kinder für Theater und Tanz begeistern möchte.