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Neun Stunden, nachdem der bolivianische Präsident Morales in Wien zur unfreiwilligen Landung gezwungen worden war, verlautbarte der Präsident der EU-Kommission, José Manuel Barroso, dass die Freihandelsgespräche zwischen der EU und den Vereinigten Staaten wie geplant kommende Woche starten sollen. Von der in der Union für Außenbeziehungen zuständigen Vizepräsidentin Catherine Ashton, einer Britin, war exakt nichts zu dem diplomatischen Eklat um den bolivianischen Präsidenten zu hören.
Dem demokratisch gewählten ehemaligen Kokabauern und nunmehrigen Staatschef des Andenlandes wurde der Überflug über europäisches Territorium verwehrt, weil das Gerücht aufgekommen war, der Ex-Spion Edward Snowden sei an Bord der Maschine.
Südamerikanische Regierungen schäumen. Die einen betonen, dass Südamerika keine Kolonie Europas mehr sei. Argentiniens Präsidentin Christina Kirchner brachte es auf den Punkt: Alle sind verrückt geworden.
Anders ist es tatsächlich nicht zu erklären, dass die EU von eben diesem Snowden gerade erfuhr, dass die USA europaweit Bürger und Institutionen ausspähen. Vermutlich wissen die Amerikaner, dass die EU-Kommission keine verdeckt operierende Terrorzelle ist, es handelt sich also um Wirtschaftsspionage - und dies unter besten Freunden.
Die Administration von US-Präsident Barack Obama schweigt dazu beharrlich, entwickelte im Stillen aber genug Druck, um China, Russland und die EU zu bewegen, Snowden kein Asyl zu gewähren. Damit ist die Frage, wer die Supermacht der Welt ist, zwar erneut beantwortet, aber auch, wer das auf gar keinen Fall ist: die Europäische Union.
Was Europa rund um die erzwungene Landung von Evo Morales in Wien aufführte, wäre zum Lachen, wenn es nicht so erschreckend wäre. Es zeigte sich wieder einmal, wie patschert diese EU durch die Welt stolpert. Ohne Strategie und ohne Gemeinsamkeiten. Sich an die USA zu klammern und dabei ganz Südamerika gegen sich aufzubringen - das ist wahrlich ein bemerkenswertes Kunststück. Ashton und ihre 7000 EU-Diplomaten sollten einpacken, es ist schade ums Geld.
Und die 28 Regierungszentralen konnten am Beispiel Morales schön beobachten, wohin ihre Kleinhäuslerei führt. Geopolitisch ist die Frage ohnehin längst beantwortet: ins Nirwana.