Von rund 500 Firmen in Österreich sind bis Fristende nur 93 registriert.
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Wien. Es hat halb Europa amüsiert und erschreckt. Jenes berühmte Video zweier Undercover-Reporter der "Sunday Times", denen Ernst Strasser, damals ÖVP-Delegationsleiter im Europaparlament, im März 2011 in sehr österreichischem Englisch erklärte, dass er für bestimmte Kunden Gesetzesänderungsanträge einbringen könne, die ihnen dienlich seien. Und: "Kunden zahlen mir 100.00 Euro."
Der Fall Strasser, aber auch die im Untersuchungsausschuss aufgedeckten Zahlungsflüsse rund um Buwog, Telekom und Co. führten dazu, dass im Rahmen des Transparenzpakets unter anderem das Korruptionsstrafrecht verschärft und ein Lobbyistenregister eingeführt wurde. Seit 1. Jänner lief die Frist für die Eintragung, am Sonntag ist sie ausgelaufen - mit ernüchternden Ergebnissen. Zwar wurden insgesamt 417 Lobbyisten eingetragen, diese gehören allerdings nur zu 93 Firmen. Andreas Kovar von der Beratungsfirma Kovar & Köppl Public Affairs kennt die Branche gut - seiner Schätzung nach müssten zumindest 500 Firmen eingetragen sein. Bisher finden sich lediglich die wesentlichen Lobbyingagenturen und Beratungsfirmen in dem Register, Wirtschafts- und Arbeiterkammer sind gerade noch in letzter Minute der Verpflichtung nachgekommen. Demgegenüber hat sich zwar die Rechtsanwaltskammer, aber keine einzige Rechtsanwaltskanzlei eingetragen. Die Anwälte gehen davon aus, dass sie vom Gesetz ausgenommen sind, im Zweifelsfall müsste dies ein Gericht entscheiden, so die Kammer. Noch keine Einträge fanden sich trotz gegenteiliger Ankündigung bis zu den Osterfeiertagen von ÖGB und Industriellenvereinigung, laut Justizministerium werden aber noch bis Ende der Woche Meldungen geprüft, die innerhalb der Frist eingegangen sind.
Kein Interesse am Kampf gegen Machtmissbrauch
Dennoch: Für Kovar, der auch dem Austrian Lobbying and Public Affairs Council (Alpac) vorsteht, war die Eintragung in das Lobbyistenregister ein Lackmustest dafür, wie ernst die Unternehmen die Verhinderung von Korruption nehmen - und der sei offenbar schiefgelaufen. Denn dass so wenige Unternehmen die neue gesetzliche Lage ernst nehmen, ist für ihn ein Indikator dafür, dass diese Firmen auch sonst kein Interesse an Compliance Management und Bekämpfung von Machtmissbrauch haben. Er fordert eine Reform des Registers: So müsste die Pflicht zur Angabe der Kunden gestrichen werden, der Lobbyistenbegriff müsste im Gesetz enger definiert werden, und es müssten "gleiche Regeln für alle" gelten. Derzeit ist es von der Rechtsform abhängig, ob einer Firma bei Nichteintragung Sanktionen drohen: Vereine werden nicht bestraft, GmbHs schon.
Kovars Branchenkollege Feri Thierry, Vorsitzender der Österreichischen Public Affairs Vereinigung (ÖPAV), begrüßt das Register an sich, fordert aber ebenfalls eine Reform. "Wenn die Regierung so stolz auf das Transparenzpaket ist, dann sollte sie auch einen Grund dafür haben." Auch er plädiert für eine Gleichbehandlung aller Interessenvertreter. "Das Gesetz ist dehnbar", sagt er. So führe zu Verwirrung, dass sich nur jene eintragen müssen, die ab fünf Prozent ihrer Tätigkeit für Lobbying aufwenden.
Wer sich nicht eintragen lässt, muss mit Verwaltungsstrafen zwischen 10.000 und 60.000 Euro rechnen. Sowohl Kovar als auch Thierry haben ihre Firmen bereits im Jänner ins Register eintragen lassen. Andere Meldepflichtige kritisierten die Komplexität des Meldesystems: "Schilda lässt grüßen", hieß es.
Mandatare müssen bald alle Tätigkeiten offenlegen
SPÖ und ÖVP haben unterdessen einen anderen Teil des Transparenzpakets repariert: Die Offenlegungspflichten für Abgeordnete werden in einem aktuellen Gesetzesentwurf wieder erweitert. Bei der Neuregelung 2012 hatte man durch einen Fehler Spitzenjobs als Vorstand, Geschäftsführer oder Aufsichtsrat aus der Liste der offenlegungspflichtigen Nebentätigkeiten gestrichen. Im neuen Entwurf wird das nicht nur repariert, sondern es werden auch die Landtagsabgeordneten in die Offenlegungspflichten eingebunden.