Klamme US-Politiker bürden auf besonders perfide Weise ihre Schulden der nächsten Generation auf. Viel anständiger sind wir aber auch nicht.
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Auf eine wirklich originelle Finanzierungsidee kamen in Kalifornien in den vergangenen Jahren Kommunalpolitiker, die zwar pleite waren, aber trotzdem die Wähler mit neuen öffentlichen Bauten bei Laune halten wollten: Sie nahmen Millionenkredite auf, für die mehr als 30 oder 40 Jahre lang weder Rückzahlungen noch Zinsen getätigt werden. Stattdessen wird der gesamte Betrag samt Zins und Zinseszins um 2040 oder 2050 herum zur Rückzahlung fällig. Das ist dann zwar ein Vielfaches der nun ausgezahlten Kreditsumme - aber den heute agierenden Politikern und ihren zunehmend älter werdenden Wählern kann das eher egal sein, weil sie dann größtenteils schon Kaliforniens Seniorenwohnstifte bevölkern werden.
Noch frecher, rücksichtsloser und unanständiger hat noch keine andere Generation von Politikern und Wählern die eigenen Kinder bestohlen, die in 30 oder 40 Jahren von den Schulden der Eltern erschlagen werden, die dann plötzlich aus der Vergangenheit auftauchen.
Was sich da nur notdürftig als keynesianisches "Deficit-Spending" verkleidet, ist tatsächlich weniger keynesianisch als kriminell; eine Art Ladendiebstahl in einem Laden, der den eigenen Kids gehört. Allerdings haben die kalifornischen Polit-Pleitiers nur mit besonderer Raffinesse weiterentwickelt, was in Europa nach wie vor gang und gäbe ist.
Denn wenn etwa in Österreich in den Jahren 2012 und 2013 trotz rekordverdächtiger Steuereinnahmen, (noch) guter Konjunktur und extrem niedriger Zinsen für die bestehenden Staatsschulden Milliarden neuer Kredite aufgenommen werden müssen, um ein Budget erstellen zu können, dann ist das im Prinzip genauso Ladendiebstahl bei noch nicht geborenen Generationen wie jener der kalifornischen Lokalpolitiker.
Wäre der wirtschaftliche Sachverstand bei sehr vielen österreichischen Wählern nicht ein außerordentlich knappes Gut, dürfte sich deshalb der anlaufende Nationalratswahlkampf 2013 eigentlich nur um drei Themen drehen: erstens die Staatsschulden, zweitens die Staatsschulden und drittens die Staatsschulden. Nach den eher hässlichen Szenen in Griechenland, Portugal, Irland und jüngst Zypern könnte ja möglicherweise der hiesige Souverän irgendwie für die Frage zu interessieren sein, ob er derartige Zustände auch hierzulande für erstrebenswert hält - oder nicht vielleicht doch wohldosierte Einschränkungen des Susi-Sorglos-Sozialstaates hinzunehmen bereit ist, um langfristig dergleichen abzuwenden.
Doch nachdem die politischen Eliten dieses Landes der Bevölkerung jahrelang erfolgreich eingetrichtert haben, Wohlstand entstünde aus neuen Schulden, wird es das wohl nicht spielen. Stattdessen diskutieren wir darüber, ob wir angesichts der kommenden schwierigen Zeiten nicht um eine Woche weniger pro Jahr arbeiten sollen; eine bekanntlich verlässlich den Wohlstand einer Nation steigernde Maßnahme. Da ist es eigentlich ein kleines Wunder, dass noch keiner der hiesigen Spitzenpolitiker auf die Idee gekommen ist, nach dem kalifornischen Vorbild Schulden-Bomben einfach 40 Jahre in die Zukunft zu beamen.
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