Baroness Warsi of Dewsbury, der Name allein klingt schon ungewöhnlich für eine englische Adelige.
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Sayeeda Warsi entstammt einer achtköpfigen pakistanischen Einwandererfamilie aus dem Arbeitermilieu. Sie ist alleinerziehende Mutter einer elfjährigen Tochter und Muslimin. Nicht die besten Voraussetzungen, um zu erreichen, was die 38-Jährige geschafft hat: Sie sitzt bereits seit zwei Jahren als Abgeordnete im alt-ehrwürdigen House of Lords in London - und das für die Konservative Partei.
Ihr politischer Aufstieg begann im Jahr 2004. Da gab sie ihren 150.000-Euro-Job als Anwältin auf, um in ihrer Heimatstadt Dewsbury bei den Parlamentswahlen 2005 für die Tories zu kandidieren. Sie verlor, beeindruckte aber den späteren Parteichef David Cameron mit ihrer direkten Art. Der wollte sie schließlich in seinem Team haben. So sorgte die Partei dafür, dass sie einen Sitz im britischen Oberhaus erlangte, was auch ihre Erhebung in den Adelsstand bedeutete. Unterstützt wurde sie dabei außerdem von Lord Ahmed von der Labour-Partei, der der erste Moslem im House of Lords war. Heute ist sie als Camerons Schattenministerin für den Zusammenhalt der Gemeinschaft und soziale Aktion zuständig.
Baroness Warsi steht für die Modernisierung der Tories, ohne vom rechten Weg der Partei abzuweichen. Konservativ zu sein, bedeutet für sie, alles erreichen zu können, wenn man nur hart genug dafür arbeitet. Großes Vorbild ist dabei ihr Vater. Der ist mit zwei Pfund fünfzig in der Tasche von Pakistan nach England gekommen und hat sich dann vom Busfahrer zum Chauffeur hochgearbeitet, bevor er sich mit einem Matratzen- und Bettengeschäft selbständig gemacht hat. Heute macht seine Firma zwei Millionen Pfund Umsatz im Jahr.
Dieses Leistungsdenken hat nicht nur sie selbst, sondern auch ihre Politik geprägt. So sind ihr beispielsweise Sonderbehandlungen für Minoritäten suspekt. Sie trat gegen Frauenquoten auf Parteilisten ein und findet auch pauschale Gedanken über muslimische oder andere Gemeinden absurd. Die Vorstellung, dass ihr Land aus lauter fremden Gruppen bestehe, die sich irgendwelchen - ihr Schicksal bestimmenden - Anführern unterwerfen, ist ihr ein Gräuel. Letztlich sei es rassistisch, mit Anführern darüber zu verhandeln, "was am besten für die braunen Menschen" sei. Schließlich gebe es ja auch keine Anführer der Weißen, sagte die Frau, die zur einflussreichsten Muslimin ihres Landes gewählt wurde.
Ihre teils harten politischen Positionen sorgten allerdings auch schon für Kritik. Etwa als sie gegen die Herabsetzung des Mündigkeitsalters für homosexuelle Beziehungen von 18 auf 16 Jahre eintrat. Oder nachdem sie erklärt hatte, dass Anhänger der British National Party "sehr legitime Ansichten vertreten", wenn sie sagen, "wir sind besorgt wegen Kriminalität und Justiz in unseren Gemeinden, wir sind besorgt wegen Immigration in unseren Gemeinden".
Am Montag wurde die Baronin bei einem Wahlkampfauftritt von wütenden Muslimen mit Eiern beworfen. Doch sie behielt die sprichwörtliche steife Oberlippe und forderte sie zur Diskussion auf - sehr nobel und sehr britisch.