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Lage im Libanon gerät außer Kontrolle

Von Rouba Kabbara

Politik

Feindseligkeiten zwischen Schiiten und Sunniten. | Beirut. (afp) Nach dem Misserfolg der Arabischen Liga bei dem Versuch, die innenpolitische Krise im Libanon einem Ende zuzuführen, droht dem multikonfessionellen Zedernstaat eine mit jedem Tag gefährlicher werdende Destabilisierung. Obwohl alle großen politischen und religiösen Gemeinschaften eine Rückkehr zu den Bürgerkriegszuständen verhindern wollen, unter denen das Land von 1975 bis 1989 zu leiden hatte, gerät die Lage immer mehr außer Kontrolle.


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Die Proteste gegen die vom Westen unterstützte Rumpfregierung von Premierminister Fouad Siniora, in der die zahlenmäßig größte Bevölkerungsgruppe der Schiiten nicht vertreten ist, haben in den vergangenen Tagen deutlich an Intensität zugenommen. Hinzu kommt der durch die israelische Blockade des Gaza-Streifens ausgelöste Aufruhr in den palästinensischen Flüchtlingslagern.

Massendemos von Hisbollah und Amal

Die sunnitisch dominierte Mehrheitskoalition unter der Führung von Saad Hariri, dem Sohn des 2005 ermordeten Ex-Ministerpräsidenten Rafik Hariri, beschuldigt die schiitischen Parteien Hisbollah und Amal, die Unruhen provoziert zu haben. Der Chef der zur antisyrischen Mehrheit gehörenden "Demokratischen Linken", Elias Atallah, erklärte dazu: "Das Ziel der Massendemonstrationen ist doch glasklar: Den Alliierten Syriens geht es darum, Chaos zu erzeugen, um ihre politischen Forderungen durchsetzen zu können."

Atallah geht davon aus, dass die mit sozialen Fragen verknüpften Proteste gegen die Siniora-Regierung schrittweise ausgeweitet werden. Ein anonymer Oppositionsanhänger sagte am Rande einer Großkundgebung gegen die Regierung am Montagabend in Beirut: "Das ist eine Botschaft an die Araber, damit sie endlich verstehen, dass sie aufhören müssen, die Regierung zu unterstützen (...) wir werden auch nicht vor einem neuen Bürgerkrieg zurückschrecken".

Das von Syrien unterstützte Oppositionsbündnis der Schiiten-Parteien mit der christlichen Gefolgschaft von Ex-General Michel Aoun verlangt eine Sperrminorität innerhalb der - auf der Grundlage des Plans der Arabischen Liga - zu bildenden Regierung der nationalen Einheit. Die Weigerung der Mehrheit, eine solche Sperrminorität zu akzeptieren, verhinderte bisher die Wahl des Kompromisskandidaten, Armeechef General Michel Sleimane, zum Staatspräsidenten durch das Parlament.

Seit November ohne Präsident

Die Präsidentenwahl wurde bereits zum 13. Mal verschoben, als neuer Termin der 11. Februar festgesetzt. Die staatlichen Institutionen sind mittlerweile vollständig gelähmt. Das Präsidentenamt ist seit November vakant, die Regierung aufgrund ihrer Zusammensetzung nicht verfassungskonform und in den Augen der Opposition illegitim.

"Die Demonstrationen füllen das politische Vakuum. Solange die Krise anhält, wird die Spannung ein Ventil auf der Straße finden", schrieb die Beiruter Zeitung "Al-Akhbar". In der Nacht auf Dienstag kam es in einem Stadtviertel Beiruts zu Kämpfen zwischen Schiiten und Sunniten.