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Lage in Bombay bleibt kritisch

Von WZ-Korrespondentin Agnes Tandler

Politik

Polizei stürmt Jüdisches Zentrum. | Pakistan als Drahtzieher beschuldigt. | Neu Delhi. Zimmer um Zimmer, Stockwerk um Stockwerk kämpften sich am Freitag die schwarz vermummten Spezialeinheiten vor. Doch die Terroristen spielten Katz und Maus mit ihnen in den verwinkelten Gängen und Flügeln des Taj Mahal und des Oberoi Trident in der indischen Finanzmetropole Bombay (Mumbai). Immer wieder hörte man Schüsse und Explosionen aus den Nobelhotels. | Dossier: Terror in Bombay | Elf Ausländer bei Anschlag getötet | Ein Symbol gegen den Kolonialismus


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Hubschrauber überkreisten die gespenstische Szene. Scharfschützen hielten ihre Positionen auf Hausdächern. Die Stunden schienen zu verrinnen, aber der Durchbruch ließ auf sich warten - auch wenn die Behörden immer wieder verlauten ließen, sie hätten die Lage unter Kontrolle.

Besonders dramatische Szenen spielten sich im Jüdischen Zentrum Nariman House ab. Dort fanden Anti-Terror-Einheiten, als sie das von den Islamisten seit Mittwochabend ebenfalls belagerte Gebäude stürmten, fünf getötete Geiseln.

Panik machte sich in der Megametropole mit seinen 14 Millionen Einwohnern breit. Die Polizei ließ zeitweilig Fernsehsender ausschalten, am Vormittag machten Gerüchte über einen neuen Anschlag im Victoria Terminus-Hauptbahnhof die Runde. Im Taj Mahal, wo sich Terroristen weiter verschanzt hielten, wurden riesige Mengen Plastiksprengstoff sichergestellt. Ab und an kamen Geiseln aus den Hotels frei. Erschöpft und bleich zogen sie mit Koffertrolley und Reisetaschen davon in die Freiheit. Nicht alle hatten das Glück. Wenigstens 143 Menschenleben sind inzwischen zu beklagen.

Während die "Black Cats"-Elite-Einheiten und Armeekräfte darauf setzten, dass den Attentätern nach fast zwei Tagen ohne Schlaf langsam die Energie und Munition ausgehen möge, gingen in der Hauptstadt Neu Delhi die Politiker zum Angriff über.

Der Chef des mächtigen pakistanischen Geheimdienstes ISI solle sofort nach Indien kommen, um sein Wissen mit den Behörden zu teilen, gab der indische Premierminister Manmohan Singh seinen pakistanischen Kollegen Yusuf Raza Gillani zu verstehen. Zuvor hatte Indiens Außenminister Pranab Mukherjee ohne diplomatische Floskeln "Elemente in Pakistan" für das Blutbad von Bombay verantwortlich gemacht.

Jagd auf Fischerboote

Die pakistanische Küstenwache will derweil einen leer treibenden Fischtrawler aus Pakistan gefunden haben, der die Attentäter von Karachi nach Bombay gebracht haben soll. In den Satelliten-Telefonen der gefangenen Terroristen sollen Nummern aus Karachi gespeichert sein. Auch die bereits sichergestellten Waffen könnten auf Terror-Outfits in Pakistan hindeuten, sagen die indischen Behörden. Gefangene sollen zugegeben haben, der in Pakistan beheimateten Terrorgruppe Lashkar e-Toiba (LeT) anzugehören. Unter den bisher zehn verhafteten Terroristen sollen zwei britische Staatsbürger pakistanischen Ursprungs sein.

Indische Geheimdienstexperten sehen in dem Attentat auf die indische Finanzmetropole eine ähnliche Handschrift wie bei anderen Terrorschlägen der LeT. Doch auch eine Verbindung zu Al Kaida wird nicht ausgeschlossen. "Sie hatten amerikanische, britische und israelische Bürger im Visier. Das spricht für Al Kaida", zitierte die "Hindustan Times" einen Mitarbeiter des indischen "Intelligence Bureau". "Sie sind gut trainierte und hoch motivierte Profis", erklärte der Vize-Admiral der Westflotte, J. S. Bedi.

Seit einiger Zeit bemüht sich die Regierung in Islamabad um Tauwetter. Präsident Zardari überfiel Indien jüngst mit einer wahren Charme-Offensive. Auch eine Diskussion über den ungelösten Kaschmir-Konflikt mit dem Nachbarn seien nicht tabu, ließ er wissen. Pakistan hat lange Zeit den Terrororganisationen im eigenen Land nur selektiv und äußerst unwillig bekämpft. Die zivile Regierung hat nun zwar mit starken Worten eine neue Linie angekündigt. Zardari hat Indiens Premier Singh versichert, dass "nichtstaatliche Täter" für den Bombay-Anschlag verantwortlich sind, und damit den ISI-Geheimdienst in Schutz genommen. Pakistan hat vor kurzem den politischen Flügel seiner berüchtigten Spionagetruppe abgewickelt. Doch keiner weiß, wer die Macht über den ISI eigentlich hat.