Hunderttausende fliehen vor Gewalt in Mogadischu. | Afgoye. (ap) Die größte humanitäre Krise in Afrika - so beschreiben Hilfsorganisationen die Situation in Somalia. Wie dramatisch sich die Lage verschlechtert hat, erfährt Fatima Usman jeden Tag aufs Neue. Die 23-Jährige hat nur einen Wunsch: "Ich bete zu Gott, dass er mir dieses Baby noch nicht nimmt", sagt sie und wiegt ihren abgemagerten, vier Monate alten Sohn Muhiadeen. Drei Kinder hat Usman schon verloren, und für Muhiadeen hat sie nicht genug Milch.
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Wie ihr geht es nach UN-Angaben etwa einer Million Flüchtlinge in Somalia - und es werden immer mehr. Usmans Sohn Mohamed und ihre Tochter Isha starben an Unterernährung, ihr Sohn Mowlid an Cholera. Angesichts der immer brutaler werdenden Unruhen in Mogadischu floh die junge Frau nach Afgoye, einer ehemals verschlafenen kleinen Stadt 30 Kilometer östlich von Mogadischu.
Kampf ums Überleben
Früher lebten in Afgoye rund 40.000 Menschen, doch seit Juni haben hier 200.000 Flüchtlinge Schutz gesucht, die Hälfte davon in den vergangenen vier Wochen. Denn nach dem Tod mehrerer äthiopischer Soldaten und der öffentlichen Schändung der Leichen durch Rebellen haben die Kämpfe zwischen islamistischen Aufständischen und Regierungstruppen sowie ihrer äthiopischen Verbündeten in Mogadischu dramatisch zugenommen.
Jeden Tag erreichen Flüchtlinge wie Hawo Abdi Baro die Stadt Afgoye. Mitten in der Nacht war im Haus der Familie der 40-Jährigen eine Granate explodiert. Baro hatte gerade noch Zeit, ihre drei jüngsten Kinder zu schnappen und auf die Straße zu rennen. Von ihren vier ältesten Söhnen hat sie seither nichts mehr gehört. "Ich weiß nicht, wo sie sind. Ich weiß nicht, ob sie leben oder tot sind", sagt sie schluchzend.
Wie Baro kommen viele Flüchtlinge ohne Essen oder Kleidung nach Afgoye. Fast 20 Prozent aller Flüchtlingskinder unter fünf Jahren sind unterernährt - viel mehr als zum Beispiel in der sudanesischen Krisenprovinz Darfur. "Würde dies in Darfur passieren, gäbe es einen Aufschrei. Aber da es in Somalia ist, kümmert es niemanden", sagt Eric LaRoche, der in Somalia für die Vereinten Nationen tätig ist. Möglicherweise ist es die Welt einfach Leid, auf Nachrichten über Probleme in Somalia zu reagieren.
16 Jahre im Krieg
Das Land im Osten Afrikas steckt schon seit 1991 in der Krise, als Rebellen den damaligen Diktator Siad Barre stürzten und sich danach gegenseitig bekriegten. In der Folge sollte eine UN-Mission unter US-Führung den hungernden Somaliern Hilfe bringen. Nach dem Abschuss zweier US-Militärhubschrauber durch Milizen im Jahr 2003 zog der damalige US-Präsident Bill Clinton jedoch die Truppen wieder ab. 1995 wurde dann auch die UN-Friedensmission für gescheitert erklärt und beendet.
UN-Sprecher LaRoche sagt, die Situation in Somalia sei zurzeit schlimmer als je zuvor. Noch niemals habe es in dem Land so viele Flüchtlinge gegeben, die humanitäre Hilfe brauchten. Dabei ist die Situation in Somalia für die Hilfsorganisationen eine große Herausforderung. Es ist nicht nur schwierig, Geld aufzutreiben, sondern obendrein werden die eigenen Mitarbeiter - wie auch in Darfur - häufig Ziel von Anschlägen. Eine neuerliche UN-Friedensmission wird es in Somalia jedoch nach derzeitigem Stand nicht geben.
Stattdessen schlägt UN-Generalsekretär Ban Ki-moon vor, die Sicherheit mit Hilfe einer internationalen Eingreiftruppe wiederherzustellen. Derzeit sind 1800 ugandische Soldaten im Auftrag der Afrikanischen Union im Einsatz, sie sind jedoch mit der Lage überfordert. Eine Lösung des Konflikts in Somalia wird schwierig werden.