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Lamentatio grande

Von Wolfgang Vogel

Leserforum

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Die Juristen nennen es kryptisch die konkrete und die abstrakte Normenkontrolle. In die automobile Welt übersetzt - unter der man sich sicherlich mehr vorstellen kann - wäre das dann so: jemand meldet einer Überprüfungsstelle einen Konstruktionsfehler bei der Radaufhängung eines Autos. Es wird geprüft und das als Mangel erkannt. Im Bericht wird darauf verwiesen, dass bisher nix passiert ist, daher wird empfohlen den Benutzern künftig eine umfassende Erste Hilfe Ausbildung angedeihen zu lassen. Falls einmal doch was passiert.

Ein weit hergeholtes Beispiel? Keinesfalls! Das Musterbeispiel einer abstrakten Normenkontrolle: jemand macht auf eine mögliche Gefahr aufmerksam. Fachleute prüfen und dann gibt es nur zwei mögliche Lösungen: entweder ein Mangel wird beseitigt, oder das ganze ist so unerheblich und man vergisst es.

Auch eine konkrete Normenkontrolle hat Ergebnisse, die im Bereich der Logik fassbar sind: entweder es gab Fehler, so ist deren Quelle zu beseitigen und das Ganze zu wiederholen, oder es gab keine Fehler. Was sollte man dann wiederholen und was beseitigen?

Offenbar hat aber der Verfassungsgerichtshof nur so heraus geschallt, wie hineingerufen worden ist. Früher glaubte man, für eine Verfassungsbeschwerde müsse man Jurist sein. Ganz offensichtlich reichen aber ein paar Monate Justizminister auch schon um auf 150 Seiten darzustellen, wie böse die Leute mit den Freiheitlichen umgehen, wie sie deren Unkenntnisse ausnutzen um sie zu Unterschriften nötigen und nachher als Trotteln dastehen lassen.

Das Ganze klingt nicht wie eine Verfassungsbeschwerde, sondern wie das, was aus gequälten Soutanen heraus kommt, wenn der Wind der Zeiten der Mutter Kirche zu sehr zu schaffen macht: Lamentatio grande nennt man dieses Wehklagen.