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Lammfromme Champions

Von Francesco Campagner

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Die Fußball-Champions-League hat so ihre Tücken. Kaum schafft eine Mannschaft überraschend den Einzug in die Zwischenrunde der besten 16 Teams Europas, schon wird der Bezug zur Realität verloren. Himmelhoch jauchzend oder zu Tode betrübt, ein Dazwischen gibt es nicht. Beim Auswärtsspiel von Sturm Graz in Valencia ließ es schon Kommentator Robert Seeger dem Zuseher nach wenigen Minuten wissen, am besten wäre es, das Spiel wäre jetzt vorbei, meinte er sinngemäß nach einer Viertelstunde Spielzeit. Doch Fußballspiele dauern 90 Minuten plus Nachspielzeit - auch in der Champions League und für Sturm Graz.

Die Befragung von Experten (Herbert Prohaska, Ivica Osim), Spieler (Ivica Vastic) und Präsident & Oberfan in Personalunion (Hannes Kartnig) offenbarte die (bei Niederlagen) übliche Vermischung der Analyse mit dem Wehklagen und Verdammen. Der rekonvaleszente Vastic war in einer Angriffssituation einfach zu lange am Ball, schon warf ihm ein Reporter vor, eigensinnig und nicht im Dienste der Mannschaft gespielt zu haben. Solche Fragen stellt man allerdings immer nur Verlierern. Manche Sportler, die nicht so zurückhaltend antworten wie Vastic, der den Reporter mit einem "bitte?" einfach die Frage wiederholen ließ, hätten wohl für einen Eklat gesorgt. Doch die Sturm-Spieler sind bei Interviews so lammfromm wie bei Auswärtsspielen und denken wohl, dass Interviews immerhin keine 90 Minuten dauern. Und dies wird auch Robert Seeger gerne bestätigen.