Die USA werden ihre Strukturdefizite bekämpfen müssen, um als dominierende Volkswirtschaft nicht noch mehr an Boden zu verlieren. Bisher ist hier zu wenig getan worden.
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Der amerikanische Traum galt lange als verbindender Narrativ der US-Gesellschaft. Doch seit Anfang der 1980er geht die Schere der sozialen und ökonomischen Ungleichgewichte immer rascher auf. Die soziale Durchlässigkeit notiert auf einem Allzeit-Tief.
Somit geht es in den USA nicht nur um die Frage nach einem Rückfall in die Rezession oder um die nächste Hilfsaktion durch die Notenbank. Es geht darum, ob die Gesellschaft sich endlich ihren Dämonen (Strukturdefiziten) stellt, um als dominierende Volkswirtschaft nicht noch rascher an Bedeutung zu verlieren. Die großen Strukturdefizite sind die veraltete Infrastruktur, ein destabilisierendes Steuersystem, das ineffiziente Gesundheitssystem und das überdimensionierte Militär.
Bisher wurden - abgesehen vom Infrastruktur- und Konjunktur-Paket aus dem Jahr 2009 - nur Symptome behandelt. Die expansive Geldpolitik (Quantitative Easing) der US-Notenbank blieb wirkungslos. Die Fed kaufte binnen 24 Monaten in zwei Wellen mehr als eine Billion Dollar an US-Staatsanleihen, um die realwirtschaftlichen Refinanzierungssätze zu senken. Ohne Erfolg. Unmittelbar nach diesen beiden Aufkaufprogrammen fielen die Zinsen auf zehnjährige Staatsanleihen um 160 beziehungsweise 120 Basispunkte. Also sanken die Refinanzierungskosten durch Marktmechanismen - und nicht durch das Eingreifen der Notenbank. Die Fed darf nun aber mehr als 1,6 Billionen Dollar an Staatsanleihen ihr Eigen nennen. Well done, really.
Jetzt wäre ein Kraftakt gegen die Strukturdefizite erforderlich. Die unverantwortlichen Verhandlungen über die höhere Schuldenobergrenze zeigten, wie gering der Konsens über einen strukturellen Wettbewerbsnachteil ist. Präsident Barack Obama setzt zwar die richtige Reformagenda (etwa mit der Gesundheitsreform), doch Umfang und Wirkung bleiben marginal.
Beispiel Infrastruktur: Die US-Verkehrssituation gilt als Zeit- und Produktivitätskiller. Gemessen an der täglichen Pendeldauer in Industrieländern rangieren die USA nur knapp hinter Ungarn und Rumänien auf Platz drei. Gleiches gilt für die Verkehrssicherheit.
Der Schienenverkehr ermöglicht wenig Entlastung für das überlastete Straßennetz, weil Hochgeschwindigkeitsverbindungen fehlen. Zudem verkehren Züge in den USA noch deutlich unpünktlicher als in Europa.
Bliebe der Luftverkehr. Die US-Luftverkehrskontrolle fußt noch immer auf einem bodenbasierten System aus den 1950ern und führt zu ineffiziente Routen. Pläne, die Überwachung auf eine Satelliten-basierte Technologie umzustellen, wurden wiederholt verschoben und könnten der Budgetkürzung der Federal Aviation Administration zum Opfer fallen. Überbuchte Flughäfen, ein weiterer Flaschenhals, führen zu stundenlangen Verzögerungen für Reisende. Und die seit 9/11 verschärften Sicherheits- und Immigrationschecks runden das Bild ab. Zudem können die USA nicht darauf bauen, dass aufgrund der Demografie künftig weniger Infrastruktur nötig ist: Die Bevölkerung schrumpft nicht, sondern dürfte bis 2050 um 40 Prozent wachsen.
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Markus Schuller ist Geschäftsführer eines Alternativ-Investment-Beratungsunternehmens.