Auf dem Schoß der 30-jährigen Stephanie sitzt ihr einjähriger Sohn. "Die Ehrlichen sind die Blöden", klagt die Alleinerzieherin in Hinblick auf die Amnestie-Debatte beim Kindergeld. Denn sie hatte gemeldet, dass sie über der Zuverdienstgrenze liegt und damit auf das Kindergeld verzichtet.
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Eine andere Mütter hat bewusst riskiert, die Zuverdienstgrenze zu überschreiten und sich das Kindergeld auf die Seite gelegt. Denn immerhin hat es aus dem Munde des damaligen Sozialministers Herbert Haupt geheißen: "Wir überprüfen nicht". Ein Dilemma, dem nun die Politik Herr werden will. Bis jetzt ist sie kläglich gescheitert.
Ein Rückblick: Haupt erlässt im Dezember 2003 eine Weisung, wonach beim Kindergeld die Überprüfung der Zuverdienstgrenze und die Rückforderungen einzustellen sind. Denn das Kindergeld werde evaluiert, lautete die Begründung. Außerdem wolle man den Krankenkassen Verwaltungsaufwand ersparen. Kleiner Nachsatz im Jahr 2004, der kaum wahrgenommen wurde: Für Rückforderungen gebe es zudem fünf Jahre Zeit. Die damalige FPÖ-Sozialstaatssekretärin Ursula Haubner erklärte, dass vor der Evaluierung "nichts zurückgefordert" werde. Die Arbeiterkammer schlug damals schon Alarm: Das alles sei ein Wahnsinn.
Arbeitsrechtler erklärten, dass die Weisung Haupts insofern gesetzeswidrig sei, als sie Handlungen untersage, die zum Vollzug des Gesetzes erforderlich sind.
Familienministerin Andrea Kdolsky (ÖVP) hat ein schweres Erbe angetreten. Einerseits muss sie das Gesetz, das ja seit Einführung des Kindergeldes auch gilt, befolgen, andererseits werden dadurch Mütter, die auf die Aussagen Haupts vertraut haben, im Nachhinein zur Kasse gebeten.
Kdolsky entschied sich für Stichproben und damit für die Beibehaltung der Zuverdienstgrenze, was eigentlich ganz auf Linie ihrer Partei sein müsste. Doch innerhalb der ÖVP rumort es. Die Länder stellen sich gegen die Ministerin. Salzburg, Steiermark, Wien, Kärnten, Burgenland, Vorarlberg: Sie alle treten für die Abschaffung der Zuverdienstgrenze ein. Sogar die niederösterreichische ÖVP-Landesrätin Johanna-Mikl Leitner befand: Die Zuverdienstgrenze "muss weg". Es müsse auch für arbeitende Mütter Geld für die Kinderbetreuung geben. Kärntens Landeshauptmann Jörg Haider richtete sogar einen Fonds für Mütter ein, die von Rückzahlungen betroffen sind. Die erste Klage gegen einen Rückzahlungsbescheid wurde am Freitag beim Klagenfurter Landesgericht eingebracht.
Die Länder stellen sich auf die Seite der Betroffenen - ihrer Wähler. Die nächsten Landtagswahlen stehen vor der Tür. Kdolsky will hingegen vor allem die "elterliche Betreuung" ermöglichen. Da der Druck der Länder groß ist, wird es spannend, ob sie nachgibt. Ende nächster Woche endet die Begutachtungsfrist für die Novellierung des Kindergeldgesetzes.