Die Europäische Kommission setzt angesichts der größten Erweiterung der Union im nächsten Jahr verstärkt Initiativen im Verkehrssektor. Die Umsetzung der Projekte kann Brüssel nur koordinieren, überprüfen - und letztlich mitfinanzieren. Realisieren müssen die Maßnahmen die Mitgliedstaaten selbst.
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"Uns ist die Dimension der EU-Erweiterung am 1. Mai 2004 noch nicht bewusst, welche dramatischen Auswirkungen, Gefahren, aber auch Chancen diese mit sich bringen wird." Edgar Thielmann von der Generaldirektion Verkehr und Energie in der EU-Kommission mahnte denn auch gestern in Wien Verkehrsinvestitionen ein. Diese würden das Wirtschaftswachstum fördern und Arbeitsplätze schaffen. Vor allem aber unterstrich der EU-Beamte: "Wir gehen von einer sehr großen Verkehrszunahme besonders auf den Straßen aus." Experten prognostizieren 50 Prozent mehr Straßenverkehr in den nächsten Jahrzehnten.
Was aus (friedens-)politischer Sicht positiv an der EU-Erweiterung ist, bereitet Verkehrsplanern und Umweltschützern großes Kopfzerbrechen: Die Landesgrenzen werden verschwinden und nur mehr geografisch bestehen - doch in erster Linie der Lkw-Verkehr werde so ungehindert steigen. "Für die Schiene wird es verwaltungsmäßig nach wie vor eine Grenze geben", so Thielmann. Er sieht daher hauptsächlich bei der Bahn "politischen Handlungsbedarf". Das europaweite Bahnnetz werde bis 2010 nur zu 50 Prozent realisierbar sein, das Straßennetz jedoch zu rund 100 Prozent, so Thielmanns Annahme. Für den Straßenausbau "sind die Mittel offenbar leichter zu lukrieren".
Die EU-Kommission sieht außerdem kritisch, dass in den "nationalen" Verkehrsplänen "grenzüberschreitende" Projekte "nicht die Priorität haben, die sie haben sollten". Dafür will nun die Kommission sorgen und hat, wie berichtet, zugesagt, grenzüberschreitende Abschnitte (das sind laut EU-Definition "kleinste nicht-teilbare Abschnitte") bis zu 30 Prozent der Investition zu fördern. Das soll ein Anreiz insbesondere für die Gründung von öffentlich-privaten Finanzierungsprojekten ("Public Private Partnerships") sein. Im transeuropäischen Verkehrsnetz (TEN) sei Österreich (etwa mit dem Brenner-Tunnel und den Verbindungen nach Osteuropa) "zu Recht gut weggekommen". Thielmann betont jedoch: "Transitstaaten wie Österreich oder Deutschland tragen eine große Verantwortung, dass Europa zusammenwächst."
Die künftige Finanzierung der Verkehrsprojekte ist die große Unbekannte. Laut Thielmann sind die Infrastrukturinvestitionen in allen Mitgliedstaaten gesunken - außer in den Ländern, die in den Genuss von Strukturfondsmittel kommen (Spanien, Griechenland). Im neuen Haushaltsplan ab 2007 sollen entsprechende Mittel (möglicherweise auf Kosten der Agrarförderung) zugewiesen werden. Denkbar ist auch die Verwendung der Strukturmittel, die die EU-Staaten nicht abschöpfen; bisher wollten die Länder das liegen gebliebene Geld aber lieber zurück haben.