Defizit von 0,6 Prozent der Länder nicht realistisch, sagt Experte Felderer. | Ein Prozent Defizit bedeutet rund 1,5 Milliarden Euro. | Wien. Der Ärger nach der Präsentation des Sparpakets von Loipersdorf Ende Oktober war groß. Es wurde vor allem bei Familien, Pflege und Studenten eingespart. Dazu wurden weitere Belastungen wie eine höhere Mineralölsteuer beschlossen. Von Strukturreformen war hingegen keine Rede.
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Vor allem die Länder, die an den neuen Steuern zu einem Drittel mitnaschen können, blieben weitgehend verschont. Jetzt allerdings könnte es doch ans Eingemachte gehen: Denn im Hintergrund laufen bereits die Verhandlungen zum sogenannten Stabilitätspakt auf Hochtouren.
Bisherige Vorgaben nach Krise obsolet
Kernfrage der Verhandlungen: Wie hoch darf das Defizit von Ländern und Gemeinden bis 2014 maximal ausfallen? Der bisherige Pakt zwischen Bund, Ländern und Gemeinden wurde durch die Wirtschaftskrise obsolet. In dem vorgegebenen Rahmen zwischen 2008 und 2013 war ein Überschuss von 0,5 Prozent des BIP vorgesehen. Tatsächlich liegen die Schätzungen jetzt bei einem Defizit von rund einem Prozent. Im Budget 2011 der rot-schwarzen Koalition ist ein Wert von 0,6 Prozent eingeplant. Doch das scheint kaum einzuhalten zu sein.
"Das Defizit geht eher Richtung ein Prozent. Mit 0,6 Prozent des BIP hätten einige Länder große Schwierigkeiten. Es geht um eine realistische Annahme", sagt der Vorsitzende des Staatsschuldenausschusses, Bernhard Felderer, im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Und er hakt nach: "Außerdem darf man den Kostendruck in den Gemeinden nicht vergessen. Der ist enorm." Als Kostentreiber fungieren insbesondere die Bereiche Gesundheit und Pflege.
Geht es in Richtung ein Prozent Defizit der Länder, sind das in absoluten Zahlen rund 1,5 Milliarden Euro. Ob damit das gesamtstaatliche Defizit in der Höhe von 3,2 Prozent des BIP für das Budget 2011 gehalten werden kann, bleibt noch abzuwarten.
Defizitentwicklung ist bedenklich
Dass die 0,6-Prozent-Latte für einige Länder kaum zu schaffen wäre, wie von Felderer prognostiziert, zeigt auch die Defizitentwicklung pro Kopf in den neun Bundesländern in den vergangenen zwei Jahren (siehe Grafik). Die Zahlen für 2010 liegen noch nicht vor. Der Schuldenstand der Länder insgesamt belief sich 2009 auf 10,5 Milliarden Euro. Als "Schuldenkaiser" wollten sie sich dennoch nicht abstempeln lassen. 90 Prozent der gesamtstaatlichen Schulden lägen beim Bund, zehn Prozent bei den Ländern, Gemeinden und Sozialversicherungsträgern, konterte etwa Niederösterreichs Landesvize Wolfgang Sobotka (ÖVP) als derzeitiger Vorsitzender der Finanzreferentenkonferenz der Bundesländer.
Die Situation ist so oder so prekär: Der Schuldenstand des Landes Tirol etwa wird 2011 im außerordentlichen Haushalt von 285 Millionen Euro auf 429 Millionen Euro ansteigen. Das entspricht einem Zuwachs von 50,71 Prozent. Das Land Oberösterreich wird im kommenden Jahr ebenso in die roten Zahlen rutschen und 151 Millionen Euro neue Schulden machen. Auch Rücklagen von rund 63 Millionen Euro werden aufgelöst.
Laut letztem Verhandlungsstand im Poker um einen neuen Stabilitätspakt gebe es bereits ein Einvernehmen darüber, Ländern und Gemeinden zumindest 2011 ein etwas höheres Minus zu erlauben (im Gespräch sind momentan 0,74 statt eben der 0,6 Prozent des BIP). 2012 wäre für Länder und Gemeinden ein Defizit von 0,57 Prozent vorgesehen, was ein gesamtstaatliches Minus von 2,95 Prozent und damit knapp unter der Maastricht-Grenze ermöglichen würde.
Finale Runde mit der Regierungsspitze
Finalisiert werden soll der Pakt möglichst noch im Dezember bei einer Verhandlungsrunde mit Kanzler, Vizekanzler und den Landeshauptleuten. Bei dieser Gelegenheit sollen auch die Haftungs-Obergrenzen für Länder und die leichte Verschärfung des Sanktionsmechanismus gegen Defizitsünder geklärt werden. Konkret ist vorgesehen, dass ein Strafverfahren automatisch eingeleitet wird, wenn der Rechnungshof eine Verletzung der Defizitziele durch einen Partner feststellt.
Mit dem traditionellen Expertenhearing beginnen am Donnerstag im Parlament auch die Ausschussberatungen über das Budget 2011. Der Haushaltsplan der Regierung sieht bis 2014 Einsparungen und neue Steuern im Ausmaß von insgesamt rund 15,3 Milliarden Euro vor. Zur Bewertung des Sparpakets hat jede der Parlamentsparteien einen Experten nominiert. Die SPÖ schickt Wifo-Mitarbeiter Markus Marterbauer ins Rennen, für die ÖVP kommt der pensionierte Wifo-Budgetexperte Gerhard Lehner, die FPÖ hat den Deutschen Ulrich Wlecke - Partner der Beteiligungsgesellschaft Elbe Partners - nominiert, die Grünen Bruno Rossmann von der AK. Für das BZÖ kommt Michael Jäger, Generalsekretär des europäischen Steuerzahlerbundes.
Nach dem Hearing geht es unter Ausschluss der Öffentlichkeit weiter: Den Auftakt macht das Budgetbegleitgesetz. Von Freitag bis kommenden Donnerstag werden die einzelnen Budgetkapitel im Budgetausschuss von den Abgeordneten debattiert, bevor der Haushaltsplan schließlich wieder ins Plenum kommt und am 22. Dezember beschlossen wird.