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Länderinteressen weiter in einer aufgewerteten Kammer wahren

Von Heike Hausensteiner

Politik

Der Bundesrat gehört nicht abgeschafft, sondern bedürfte in der Tat einer Reform, die aber in einem größeren Kontext stattfinden müsse. Das sagt Föderalismusforscherin Sonja Puntscher-Riekmann, | die die Forschungsstelle für institutionellen Wandel an der Akademie der Wissenschaften leitet.


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Die von den Oppositionsparteien losgetretene Diskussion um den Bundesrat und um eine Reform der Verfassung erlebt eine Renaissance: Das LiF würde die Länderkammer am liebsten abgeschafft sehen,

die Grünen und die FPÖ sind für eine Reform.

Parlament aufwerten

Wenn in der österreichischen Verfassungsarchitektur die Länderkammer ernstgenommen werden würde, sei jede Initiative zu begrüßen. "Alles, was der Demokratie nützt, ist sinnvoll", sagt Sonja

Puntscher-Riekmann im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Sie ortet eine Abwertung des Parlamentarismus und sieht das Problem in einer "Politik der Exekutive", indem die Regierung das Parlament

erodiere, zurückstufe. Das Föderalismusprinzip sei nicht wirklich sichtbar, was die Forscherin auf die Form der Bestellung der Bundesräte (durch Wahl von den Landtagen) zurückführt.

Eine "deutliche Exekutivlastigkeit" stellt auch die Sozialwissenschaftliche Arbeitsgemeinschaft (SWA) fest: Die Debatten würden ausschließlich in den Spitzengremien der Länder und des Bundes unter

Ausklammerung der Parlamente geführt, heißt es in einer SWA-Studienarbeit zur Zukunft der Bundesstaatsreform. Dieses Vorhaben in einer von SPÖ, ÖVP, Grünen und LiF gemeinsam beantragten

Regierungsvorlage ist 1994 am Beschluß der Landeshauptleute gescheitert.

Einer Reform der österreichischen Verfassung aus dem Jahr 1929 gibt Sonja Puntscher-Riekmann sehr wohl eine Chance. Jedoch will sie einer Reform der nationalen Verfassung nicht das Wort reden,

ohne zu betonen, daß Änderungen in den europäischen Kontext zu stellen seien. Seit Österreichs Beitritt zur Europäischen Union sei ein Großteil der Gesetzgebung "EU-induziert". Die Informationsflüsse

bis zu den Ländervertretern seien nicht gewährleistet. Die Entscheidungsprozesse auf EU-Ebene seien komplex, und bis diese der Bundesrat "wahrnimmt, ist die Sache gelaufen".

Direktwahl

Innerösterreichisch sei eine Aufwertung des Bundesrates hin zu einer wirklichen zweiten Kammer im Parlament anzustreben, so Puntscher-Riekmann. Dazu müßten die Vertreter direkt gewählt werden,

nach dem Vorbild des deutschen Bundesrates oder des US-amerikanischen Senats. Eine personelle Aufwertung fordert auch die SWA; weiters sollte der Bundesrat in den Gesetzgebungsprozeß parallel zum

Nationalrat · und nicht erst im nachhinein · einbezogen werden. Zudem sei das Vetorecht des Bundesrates "zahnlos".

Daß das Thema "Reform des Bundesrates" im laufenden Wahlkampf wieder aufgeflammt ist, schade keineswegs der Ernsthaftigkeit des Anliegens: "Wahlkämpfe mögen ihre Rolle spielen, sind aber auch ein

Teil von Politik", so Puntscher-Riekmann.