Für Salzburgs Sozialreferent Schellhorn ist die neue Mindestsicherung nicht vor 2021 möglich.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 5 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wien. Die Sozialreferenten der Bundesländer waren ungehalten, weil die Bundesregierung nicht schon vor der Fertigstellung des Gesetzesentwurfes für die neue Mindestsicherung mit ihnen verhandelt hat. Für Freitagabend hatte Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) nun zu einem Treffen geladen. Die Ländervertreter reisten dazu mit jeder Menge Fragen im Gepäck zur neuen Sozialhilfe an.
Schließlich legt die ÖVP-FPÖ-Regierung für die für den Vollzug zuständigen Länder mit der geplanten Reform einen bundesweit einheitlichen Rahmen fest: 563 statt maximal 863 Euro für Bezieher der Mindestsicherung ohne ausreichend Deutschkenntnisse; gestaffelte Kürzung für Mehrkindfamilien; Bonus für Alleinerzieherinnen; Möglichkeit eines 30-prozentigen Zuschlags in teuren Wohngegenden.
Schellhorn: "Das ist vollkommen unrealistisch"
Der turnusmäßige Vorsitzende der Sozialreferenten, Salzburgs Vizelandeshauptmann Heinrich Schellhorn (Grüne), meldete im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" vor allem massive Einwände gegen den Zeitplan der Bundesregierung an. "Meines Erachtens ist eine Umsetzung frühestens ab 1. Jänner 2021 möglich", sagte er. ÖVP und FPÖ haben hingegen vorgesehen, dass der Bund den Gesetzesrahmen für die neue Mindestsicherung per 1. April 2019 beschließt. Danach bliebe den Ländern sechs Monate Zeit zur Umsetzung ab Oktober 2019.
"Das ist vollkommen unrealistisch, dass man das alles in einem halben Jahr schafft", betonte Heinrich Schellhorn. Denn mit der Vorgabe durch den Bund sei eine völlige Umstellung des Systems verbunden. Schließlich müsse in den Ländern unter anderem die legistische Grundlage für die Landtagsbeschlüsse geschaffen - und diese dann beschlossen werden.
Probleme werdenim Vollzug erwartet
Beim Treffen mit Sozialministerin Hartinger-Klein sah Schellhorn beim Regierungsentwurf jede Menge Erklärungsbedarf: "Es sind so viele Probleme in dem Gesetz, die im Vollzug Fragezeichen aufwerfen." Das betreffe beispielsweise die medizinische Versorgung der Bezieher der Mindestsicherung, die im Gesetz fehle. "Die Krankenversorgung ist überhaupt nicht geregelt", beklagte der Salzburger Sozialreferent. Allein dabei gehe es um Kosten von 60 Millionen Euro. Er schlug daher vor, zwischen Bund und Ländern zuerst einmal auf Beamtenebene eine Sachdiskussion zu beginnen. Danach solle man auf politischer Ebene Lösungen finden.
Dazu kommen massive inhaltliche Bedenken gegen die Vorhaben der ÖVP-FPÖ-Bundesregierung. Allen voran geht es dabei um die gestaffelte Kürzung der Mindestsicherung für Kinder. Diese trifft Mehrkindfamilien, ab dem dritten Kind sinkt die Leistung auf 43 Euro pro Monat. "Diese starke Degression ist eindeutig verfassungswidrig", urteilt Schellhorn.
Jede Menge offene Frage durch den Entwurf zur Mindestsicherung sehen auch Sozialreferenten in anderen Bundesländern, etwa Birgit Gerstorfer (SPÖ) in Oberösterreich. Auch sie wollte von der Sozialministerin Aufklärung, wie der Vollzug bestimmter Punkte geplant sei.
Das betrifft etwa die künftige Regelung der Sachleistungen. Die Regierung möchte, dass von den 863 Euro Mindestsicherung 40 Prozent Sachleistungen sind. Vor allem sollen die Länder die Wohnkosten übernehmen. Das verursache einen großen Verwaltungsaufwand, wenn die Länder jeweils direkt an Vermieter zahlen sollen, wurde im Büro von Gerstorfer erklärt. Probleme sieht man in Linz weiters darin, dass die Feststellung, ob jemand genug Deutsch kann, letztlich auch im Ermessensspielraum des jeweiligen Sachbearbeiters liege.
Unklarheit bei Finanzierung von Deutschkursen
Für die steirischen Sozialandesrätin Doris Kampus (SPÖ) wirft die Finanzierung der Deutschkurse Fragen auf. Man lese das so, dass diese Kurse nach dem geltenden Integrationsgesetz Aufgabe des Bundes seien, wurde in ihrem Büro betont. Nach dem geplanten Mindestsicherungsgesetz seien aber die Deutschkurse von den Ländern zu finanzieren. Unklarheit gebe es auch wegen der Anrechnung der Wohnbeihilfe. Außerdem will Kampus eine Ausnahmeregelung, damit rund 2000 Behinderte, die in der Steiermark durch ein eigenes Gesetz abgesichert sind, nicht durch die neue Mindestsicherung jeweils ein paar hundert Euro verlieren.
Schon zuvor hatte Wiens Sozialstadtrat Peter Hacker (SPÖ) im APA-Gespräch viele offene Frage beklagt und von einem "untauglichen" Entwurf des Bundes gesprochen. So verwies er darauf, dass es in den Ländern weitere Unterstützungsmaßnahmen wie Mietbeihilfen, Sozialpässe oder den Gratis-Kindergarten gebe: "Sind diese Leistungen in den vorgesehenen Maximalbeträgen bereits inkludiert?"
Hacker bezweifelt die Sinnhaftigkeit, dass nach der Neuregelung abgefragt werden soll, ob ein Elternteil des Beziehers einer Mindestsicherung Migrationshintergrund habe. Eine entsprechende systematische Abfrage einer Behörde sei zuletzt im Dritten Reich durchgeführt worden, sagte er. FPÖ-Klubchef Johann Gudenus kritisierte diese Aussage als "schlichtweg abscheulich" und völlig deplatziert.