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Länderspiel um Pflege-Bachelor

Von Jan Michael Marchart

Politik
Der Berufsstand derKrankenpflege soll durchdie Reform des Pflegegesetzesaufgewertet werden.Robert Kneschke/Fotolia WZ-Grafik: mozie

Die geplante Akademisierung des gehobenen Dienstes wird zum Finanzmatch zwischen Bund und Ländern.


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Wien. Die große Reform der Pflegeberufe lässt auf sich warten. Es geht um die Novelle des Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes (GuKG), nach der die Ausbildung auf die Fachhochschulen verlegt werden soll. Eigentlich wollte die Regierung dieses Projekt schnell abhaken, doch es spießt sich.

Konkret soll der gehobene Dienst der Gesundheits- und Krankenpflege aufgewertet und der Tätigkeitsbereich erweitert werden. Dafür soll die Pflege nur noch an den Hochschulen ausgebildet werden. Woran es kranken soll, ist die Finanzierung.

"In Begutachtung ist kein Entwurf", sagt die Gesundheitsbeauftragte der Neos, Claudia Jäger. Aus Regierungskreisen ist zu hören, dass das Modell von Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser (SPÖ) vom November zurückgezogen wurde und seither unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt wird. Der "Wiener Zeitung" liegt nun der jüngste Entwurf für die Pflegereform vor.

Seitens des Gesundheitsministeriums heißt es auf Anfrage: "Wir sind von einer Einigung noch entfernt. Die offenen Punkte werden mit dem Koalitionspartner besprochen." Der "große Wurf", wie die Wiener Gesundheitsrätin Sonja Wehsely (SPÖ) Oberhausers Ideen nannte, ist bis Ende 2015 geplant. Eine Vorlage zur Beschlussfassung soll es im ersten Halbjahr dieses Jahres geben. Derzeit hängt die Novelle in der Luft, irgendwo zwischen Gesundheitsministerium und dem Justizministerium Wolfgang Brandstetters. Mit ihm muss das Modell regierungsintern abgestimmt werden. In seinem Ministerium wird derzeit kein Entwurf geprüft, heißt es dort.

Grünen-Gesundheitssprecherin Eva Mückstein dazu: "Ich glaube, dass es eine Sache der Finanzierung ist. Hier sind die Länder gefragt. Wichtig wird der Finanzausgleich dafür sein."

Bundesländer bremsendie Reform

Die Finanzierung ist laut SPÖ-Gesundheitssprecher Erwin Spindelberger in der Tat der Knackpunkt, weshalb sich die Verhandlungen in die Länge ziehen. Vor allem wegen eines Kurswechsels der Bundesländer. "Die Schulen sind unter den Fittichen der Länder und werden auch von diesen bezahlt", sagt Spindelberger. "Jetzt möchte speziell der Westen Österreichs, dass der Bund dafür aufkommt, wenn die Pflegekräfte an der Fachhochschule ausgebildet werden."

Der ÖGB verweist darauf, dass es Lehrgänge an den Fachhochschulen gibt, die der Bund zahlt. Gesundheit ist keiner davon, soll aber, wenn es nach den Ländern geht, zu einem solchen werden. Gegen diese Idee der Länder soll sich allerdings Finanzminister Hans Jörg Schelling querlegen. Das, so hört man aus Regierungskreisen, ist der letzte Punkt, der vor der Begutachtung des neuen Pflegegesetzes noch geklärt werden muss. Um wie viel Geld es sich handelt, bleibt offen. Im aktuellen Entwurf wird klar festgehalten, dass für den Bund keine Mehrkosten entstehen werden.

Ein Anruf beim Gesundheitsrat der Tiroler Landesregierung, Bernhard Tilg (ÖVP): Er hört den Vorwurf Spindelbergers zum ersten Mal. "Ich setze mich nur dafür ein, dass für die Ausbildung auch die Universitäten berücksichtigt werden", sagt er.

Die Novelle des Pflegegesetzes sieht vor, dass nur Fachhochschulen Ausbildungen für Pflegeberufe mit Bachelorabschluss anbieten können. Das kritisieren die Paracelsus Medizinische Privatuniversität (PMU) in Salzburg und der UMIT Tirol, zwei Privat-Universitäten, die Pflege-Ausbildungen anbieten. Dass Pflegeberufe im diplomierten Bereich in Zukunft ausschließlich im Hochschulbereich gelehrt werden sollen, sei "gut und folgerichtig". Die geplante Gesetzesänderung würde allerdings ihre "bewährten" Pflege-Ausbildungsangebote auf Bachelor-Niveau ausschließen, erläuterten die Privat-Unis.

Das Grundkonzept der Pflegenovelle steht

Jürgen Osterbrink, Vizedekan für Studium und Lehre und Fachbereichsleitung Pflege an der PMU, vermutet, dass sich dahinter die Unsicherheit verbirgt, dass auch staatliche Universitäten auf den Zug aufspringen und der Bund später zur Kasse gebeten wird. "Die haben kein Interesse daran", sagt er weiter.

Auf einen Abschlusstermin der Verhandlungen über das GuKG möchte sich Spindelberger nicht festlegen. Über das Grundkonzept der Pflegehierarchie wären sich die Koalitionspartner einig. Kleine Punkte wären noch offen. Die ÖVP möchte laut Spindelberger etwa über etwaige Zusatzausbildungen verhandeln. Das Modell Oberhausers vom November sieht vor, dass Gesundheits- und Krankenpflegerinnen künftig ein Bachelorstudium (Bachelor of Science in Nursing) absolvieren sollen. Die Ausbildungen an den Pflegeschulen laufen aus. Zu den Aufgaben der Krankenpflegerinnen zählt weiterhin neben der Pflege auch das Verabreichen von Injektionen, die Abnahme von Blut, das Verabreichen von Blutkonserven, das Setzen von Kathetern und Magensonden sowie die Durchführung von EKGs und Lungenfunktionstests.

In einem zweiten Schritt sollen Zusatzausbildungen für Spezialisierungen geschaffen werden, etwa für die Intensivpflege oder die chirurgische Assistenz. Eine Arbeitsgruppe von Bund, Ländern und Rettungsorganisationen soll sich der Situation der Notfallversorgung widmen.

Für die Grundpflege soll künftig statt der Pflegehilfe die Pflegeassistenz (PA) zuständig sein, befreit von hauswirtschaftlichen und administrativen Tätigkeiten. Die Ausbildungsdauer bleibt bei einem Jahr, die Ausbildung erfolgt in Schulen für Pflegeassistenz, Medizinische-Assistenzberufe-(MAB)-Schulen und in berufsbildenden mittleren Schulen.

Neben pflegerischen Maßnahmen und der Grundpflege über die gesamte Lebensspanne dürfen Pflegeassistentinnen bei therapeutischen und diagnostischen Verrichtungen mithelfen sowie Darmeinläufe vornehmen, standardisierte Blut-, Harn- und Stuhluntersuchungen sowie Streifenschnelltests durchführen.

Für die Weiterqualifikation soll es Zusatzmodule geben, die sich von zwei bis vier Monate erstrecken. Wer zwei davon absolviert und eine Fachbereichsarbeit schreibt, kann Pflegefachassistentin werden (PFA), was den Weg zur Reifeprüfung öffnet und Durchlässigkeit in das tertiäre Bildungssystem bringt.

Eine Ebene darunter arbeiten Unterstützungskräfte (Stations- oder Serviceassistenz), die Hol- und Bringdienste sowie administrative, logistische und hauswirtschaftliche Tätigkeiten übernehmen. Dies gilt aber nicht als Gesundheitsberuf.

Der überseheneBerufsstand

Laut Statistik Austria arbeiten derzeit rund 87.500 Pflegerinnen im Gesundheitswesen. Ein Bereich, der immer wichtiger wird, da die Menschen hierzulande immer älter werden und zwei Drittel der über 75-Jährigen an chronischen Erkrankungen leiden.

Im Spital wird die Pflege mehr gebraucht den je. Die Ärzte sollen sich wegen der seit Jahresbeginn geltende 48-Stunden-Woche Zuständigkeiten an die Pflege abgeben und näher am Patienten sein. Davon sollen auch Turnusärzte profitieren. In einigen Bundesländern kämpft die Pflege wegen des Arbeitszeitgesetzes derzeit ebenso für höhere Gehälter.