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Ländliche Polemik in der Spitalsplanung

Von Ernest G. Pichlbauer

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Dr. Ernest G. Pichlbauer ist unabhängiger Gesundheitsökonom und Publizist.

Rasend war der Zorn der Länder, als von Bundespolitikern Ideen zur Spitalsreform - politisch unprofessionell - ventiliert wurden.


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Am lautesten war wohl der für "seine" Spitäler zuständige NÖ-Finanzlandesrat Wolfgang Sobotka. Er erklärte Bundespolitiker zu Dilettanten, denen man Spitalsplanung nicht überlassen dürfe. Immerhin würden diese nicht einmal die Gesetze kennen, als da wären: 90 Prozent der Bevölkerung müssen innerhalb von 30 Minuten Fahrzeit (Individualverkehr) ein Spital erreichen können, und für ein Einzugsgebiet von 50.000 bis 90.000 Einwohner ist jedenfalls ein Spital mit Abteilungen für Chirurgie und Innere Medizin vorzuhalten. Somit könne kein Spital geschlossen werden. Das ist natürlich falsch.

Seit Jahren hat der Landesrat eine theoretisch optimierte Standortwahl in der Schublade, die die Erreichbarkeit mit acht Standorten in Niederösterreich garantiert; 27 braucht man dazu nicht. Aber vielleicht werden die 30 Minuten mit dem Ochsenkarren und nicht mit dem Auto berechnet. Und wie schaut es mit den Einzugsgebieten aus? Nicht besser. Neun der 27 Spitäler haben ein Einzugsgebiet unter 50.000 Einwohner. Eine gesetzliche Forderung besteht also nicht.

Ebenso falsch ist, dass Niederösterreich gar nicht "so viele" Spitäler und Betten habe. Und um das zu belegen, wurde eine "Studie" angefertigt, derzufolge die Dichte an Spitälern und Betten unter dem Bundesschnitt läge. Was (absichtlich?) verschwiegen wird ist, dass ein Viertel der Niederösterreicher in anderen Bundesländern behandelt wird. Korrekterweise müsste man diese Menschen abziehen - dann ist man wieder auf dem Bundesschnitt.

Wenn man genauer schaut, sieht man aber, wie willkürlich Spitalsplanung ist. Während im bevölkerungsreichen nördlichen Industrieviertel die Spitalshäufigkeit niedrig ist, weil die Hälfte der Patienten nach Wien geschickt wird, ist sie in dem mit Spitälern überreich ausgestatteten Mostviertel gleich 14 Prozent über dem Bundesschnitt. Ob das damit zu tun hat, dass dort der Wahlkreis des Finanzlandesrates liegt?

Aber mit seiner Polemik ist Niederösterreich nicht alleine - da sind alle Bundesländer gleich. Und überall wird Unterversorgung skandiert, wenn Spitäler geschlossen werden sollen. Ein Blick auf die EU-Statistik zeigt, dass das falsch ist. Werden bei uns pro 100 Einwohner 30 Aufnahmen gezählt, kommt Deutschland, an zweiter Stelle mit 20, die EU mit 17 aus.

Wäre die Diskussion ehrlich und sachlich, gäbe es keinen Grund, alle Spitäler zu halten. Und damit ja niemand auf einer sachlichen Ebene argumentiert, hat man den alles stechenden Trumpf gleich am Anfang gezogen: Arbeitsplatzsicherung!

Nicht grundlos betont die WHO seit den 1980er immer wieder, dass aus beschäftigungspolitischen Gründen Spitäler keinesfalls erhalten werden sollten. Es gilt als bewiesen, dass so die Qualität sinkt. Trotzdem halten Landespolitiker fest: Zehntausende verlören ihre Arbeit, wenn eine Spitalsreform kommt!

Aber das stimmt auch nicht, denn bei der derzeitigen demographischen Veränderung ist es schlicht unmöglich, auf tausende Arbeitkräfte zu verzichten - die Arbeit ist da und wird nicht weniger. Nur wie und wo sie erbracht wird, das könnte sich ändern.

Und da liegt auch der Grund - welcher Politiker will schon den direkten Einfluss auf tausende Mitarbeiter verlieren? So wie im Mittelalter die Macht eines Fürsten in der Zahl seiner leibeigenen Bauern gewogen wurde, ist es heute die Zahl der Spitalsmitarbeiter. Eine Spitalsreform würde diese Zahl schrumpfen lassen. Und das geht gar nicht.

Dr. Ernest G. Pichlbauer ist unabhängiger Gesundheits ökonom und Publizist.