"Ich hoffe, dass die Agrarpolitik auf einem Scheideweg ist. Das wäre äußerst wichtig für das weitere Schicksal der Landwirtschaft", erklärt Josef Riegler, ehemaliger VP-Agrarminister und einer der profiliertesten Kenner der österreichischen Landwirtschaft. Seine Vision vom richtigen Weg lautet: Die Landwirtschaft müsse umwelt- und tierschutzverträglich werden sowie die Vitalität des ländlichen Raumes sicherstellen. Außerdem sollte sie dem Wunsch der Konsumenten nach Sicherheit und Qualität Rechnung tragen.
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"Die derzeitigen landwirtschaftlichen Fördermodelle sind zu überdenken", betont Riegler, seit 1991 Präsident des Ökosozialen Forums. Denn die flächenbezogenen Ausgleichszahlungen wurden bewusst eingeführt, um Konzentrationen im ländlichen Bereich zu forcieren.
Da sich diese Agrarpolitik nun angesichts der aktuellen Krise als Irrweg erwiesen hat, sieht der Agrarexperte eine Lösung: "Man wird dazu übergehen müssen, die Direktzahlungen nur noch als Abgeltung bestimmter definierter Leistungen zu gestalten." Ein Weg, der auch von EU-Agrarkommissar Franz Fischler vertreten wird. "Denn wenn wir mit der bisherigen Strategie fortfahren, werden wir riesige Fleisch- und Getreideberge dazubekommen", befürchtet Riegler im Hinblick auf die EU-Osterweiterung.
Seiner Meinung nach sollte die Finanzierung mehr in die geteilte Verantwortung geführt werden: "Die Marktförderungen erfolgen noch nach dem alten Schema, wonach Brüssel hundert Prozent bezahlt. Das ist nicht gut." Auch hier sollte man in Richtung Kofinanzierung gehen. Dadurch könnten die Staaten mehr Verantwortung übernehmen.
Der Weltmarkt könne nicht mehr alleiniger Orientierungspunkt in der Agrarpolitik sein. "Bis jetzt hieß es, wir müssten mit den Preisen herunterfahren, um am Weltmarkt konkurrenzfähig sein zu können." Dies habe dann die Spirale von Preisdumping einerseits und Überschussproduktion andererseits erzeugt. Riegler plädiert dafür, die Landwirtschaftspolitik von der Seite der Konsumenten her anzugehen.
Deklarationspflicht für landwirtschaftliche Produkte
Auch die EU-Position habe sich zumindest auf dem Papier den Wünschen der Konsumenten verschrieben. Dazu müssten die Produkte jedoch auch einer strikten Deklarationspflicht unterliegen.
Diese müsste dann dieseits und jenseits des Ozeans gelten. Denn die WTO spielt die entscheidendste Rolle beim Agrarpoker. "Es muss möglich sein, dass die Anforderungen, die man an die eigenen Produkte stellt, auch an importierte Ware gestellt werden können." Ein solches Deklarationsgebot ist für Riegler eine Grundvoraussetzung für fairen Handel. Dieser spielt jedoch in der WTO noch gar keine Rolle.
Deshalb sei es wichtig, innerhalb der Welthandelsorganisation einen Ordnungsrahmen zu schaffen, der Ökologie und soziale Belange einbindet. "Denn es ist eine Fiktion, dass der schrankenlose Freihandel das Wohl auf der Welt bringen wird. Vielmehr ist das Gegenteil der Fall." Zumindest solange soziale und ökologische Mindeststandards ausgespart bleiben. Solche Mindeststandards sollten von weltweitem Interesse sein.
Es wäre wichtig, dass die Staaten wieder über eine gewisse Autonomie verfügen, damit sie selbst bestimmen können, welche Qualität sie zulassen. Doch im momentanen Welthandelsschema spielt das Wie der Produktion keine Rolle.