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Landwirtschaft und Soziales wachsen zusammen

Von Nikolai Haring

Wissen
Gartenarbeit ist erwiesenermaßen heilsam.
© LK Wien

"Green Care"-Pilotprojekt wird früher als geplant auf ganz Österreich ausgeweitet.


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Wien. Wie sich "Green Care" präsentiert, das klingt fast nach einer Win-win-Situation: als neues Wirkungsfeld für Landwirte, oft als möglicher Schritt zum Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt, als Chance, die Natur dabei schätzen und lieben zu lernen. Tatsächlich zeigt das Methodenbündel der "grünen Pflege" ein erstaunliches Potenzial - und beweist seine Qualitäten auch in der Praxis. Unter "Green Care" werden Aktivitäten zusammengefasst, bei denen man Natur im weiteren Sinn, Tiere oder Pflanzen zum Zweck einer Heilung einsetzt - sei es eines physischen oder psychischen Leidens -, als pädagogische Fördermaßnahme oder zur Sozialarbeit.

Bekannte Beispiele sind tiergestützte Therapien für Menschen mit Behinderungen oder die Gartentherapie: Schlaganfallpatienten, Demenzkranke oder von Burn-out oder Depression betroffene Menschen sind dafür typische Zielgruppen. Dass maßvolle Arbeit im Grünen und an der frischen Luft einen Kranken aufrichten kann, wussten bereits die Ärzte der Antike; neu hinzugekommen ist bei Green Care der soziale Ansatz, weshalb auch von "social farming" oder "sozialer Landwirtschaft" gesprochen wird. Dieser reicht von Lernprojekten für Schüler über gemeinschaftsfördernde Gruppenarbeit bis zur Arbeit mit Randgruppen oder Personen, die sich pathologisch von ihrer Umwelt abgrenzen - oder von dieser ausgegrenzt werden.

Wissenschaftlich anerkannt werden einzelne Green-Care-Methoden bereits seit den 1980er Jahren, als die Erfolge der tiergestützten Therapieformen greifbar wurden. Geforscht wird zu Green Care zurzeit allerdings in geringerem Ausmaß, als es der Bedarf nach ihr rechtfertigen würde. Insbesondere Studien zu einem möglichen sozialen und wirtschaftlichen Gesamtnutzen in der Gesellschaft gibt es erst wenige.

EU fördert ab 2014

In der Praxis tut sich umso mehr: Im November 2012 startete an der Wiener Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik ein Masterstudium "Green Care". Im Rahmen des Ländlichen Fortbildungsinstituts der Landwirtschaftskammer werden Kurse zu Green Care angeboten. Bereits im März 2011 startete die Landwirtschaftskammer (LK) Wien das Pilotprojekt "Green Care". Angesichts einer immer älter werdenden Bevölkerung und der Zunahme psychosomatischer Erkrankungen, denen Kürzungen im Gesundheits- und Sozialbereich gegenüberstehen, sollte die Praxistauglichkeit der in Österreich noch unterrepräsentierten Therapieformen erkundet werden. Früher als geplant, nämlich schon 2013, soll das "Green Care"-Projekt, das vorerst auf Wien und das Umland beschränkt bleiben sollte, bundesweit implementiert werden, berichtet Nicole Prop vom "Green Care Projektmanagement" der LK Wien, denn das Interesse von Landwirten aus den Bundesländern ist groß. Um zu den europäischen Spitzenreitern in Sachen Green Care aufzuschließen - in den Niederlanden wird sie seit 20 Jahren erfolgreich praktiziert -, ist freilich noch einiges zu tun. Es gilt, für die Aus- und Weiterbildungen einheitliche, gesetzlich geregelte Qualitätsstandards zu schaffen. Eine Zertifizierung für Betriebe, die sich für Green Care öffnen, ist bereits in Planung.

Erfreuliches ist aus Brüssel zu berichten: Wenn landwirtschaftliche Betriebe ihre Tätigkeiten um Sozialprojekte - wie eben Green Care - erweitern, sollen diese ab der nächsten Förderperiode ab 2014 im Rahmen der EU-Programme zur ländlichen Entwicklung gefördert werden können.