"Deutschlands Kräfte sind begrenzt", sagt die Kanzlerin.
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Berlin. "Keine Eurobonds. Solange ich lebe." Die ablehnende Position der deutschen Kanzlerin zu gemeinsamen EU-Staatsanleihen war schon bisher bekannt - allerdings nicht in solcher Leidenschaft. Das kam an beim Parlamentsklub der Liberalen. Dort versuchte Angela Merkel (CDU) wenige Stunden vor ihren Auftritten im Bundestag, beim französischen Präsidenten und in Brüssel auch Skeptiker zu beruhigen. Denn Kritiker an ihrer Europapolitik gibt es auch in den eigenen Reihen. Eurobonds würden für sie das Fass zum Überlaufen bringen.
Man befürchtet ohnehin, dass viel zu viele Kosten der Krise von Deutschland getragen werden müssten. Einige Freidemokraten wünschten Merkel sogleich ein "langes Leben".
Ganz so dramatisch wie vor der FDP äußerte sich die Kanzlerin am Mittwoch in ihrer Regierungserklärung nicht erneut - ihre Meinung hat sie über Nacht aber auch nicht geändert. "Ich halte sie ökonomisch für falsch und kontraproduktiv", sagte Merkel im Parlament über Eurobonds und Schuldentilgungsfonds. Hämisch hatten Oppositionspolitiker zuvor darauf hingewiesen, dass die Kanzlerin sehr oft schließlich doch anders gehandelt habe. Eine Aussage wie jene vor der FPD sei also ein sicheres Zeichen für ein baldiges Umschwenken.
Das unter dem EU-Gipfelchef Herman Van Rompuy ausgearbeitete Reformpapier lehnt die deutsche Kanzlerin ab: "Damit, so fürchte ich, wird auf dem Rat insgesamt wieder viel zu viel über alle möglichen Ideen für eine gemeinschaftliche Haftung und viel zu wenig über verbesserte Kontrollen und Strukturmaßnahmen gesprochen werden." Man bräuchte "mehr Durchgriffsrechte" auf europäischer Ebene, wenn Haushaltsrechte verletzt würden.
Für verstärkte gemeinsame Bankenaufsicht
Systemrelevante Banken sollten einer verstärkten gemeinsamen Aufsicht unterliegen; auch Schattenbanken - also Hedge Fonds und Tochtergesellschaften, die nicht in der jeweiligen Bankbilanz erfasst sind - müssten reguliert werden. "Ich werde deshalb in Brüssel ausloten, ob andere Mitgliedstaaten bereit sind, einen solchen Weg zu gehen inklusive notwendiger Vertragsänderungen", sagte Merkel. "Deutschland ist der Wirtschaftsmotor in Europa, doch auch Deutschlands Kräfte sind begrenzt."
Was er dazu sage, dass Deutschland von der Krise profitiere, wurde anschließend der deutsche Finanzminister in einer Pressekonferenz gefragt. Dafür, dass Deutschland so gut dastehe, brauche man sich nicht zu entschuldigen, antwortete Wolfgang Schäuble (CDU). Ja, man habe im Moment "unnatürlich niedrige Zinsen". Trotz der hohen Gesamtverschuldung der Bundesrepublik - mehr als 80 Prozent des Bruttoinlandsprodukts - sei das Vertrauen an den Finanzmärkten groß. Den Grund dafür sieht Schäuble in der deutschen Finanz- und Wirtschaftspolitik: Möglicherweise mache man weniger Fehler als andere Länder.
Deutschland wird sich auf dem EU-Gipfel auch für die Einführung einer Finanztransaktionssteuer einsetzen - dies war auch eine Bedingung von Sozialdemokraten und Grünen für ihre Zustimmung morgen, Freitag, zum Fiskalpakt und zum dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM. Merkel geht davon aus, dass das europäische Gesetzgebungsverfahren für eine solche Kapitalverkehrssteuer bis Ende des Jahres abgeschlossen ist. Die Opposition im deutschen Parlament ist freilich dennoch nicht mit Merkels Ankündigungen zufrieden - vor allem wegen des strikten Neins zu Eurobonds.
Vergemeinschaftung der Schulden gibt es bereits
Zum einen habe die Europäische Zentralbank bereits Staatsanleihen von Krisenstaaten aufgekauft, für die Deutschland mit 100 Milliarden Euro hafte, sagte der Grüne Klubchef Jürgen Trittin. So gesehen gebe es ohnehin bereits eine Vergemeinschaftung von Schulden. Und die haushaltspolitische Sprecherin seiner Partei rief der Kanzlerin in der Parlamentsdebatte zu, so oft, wie diese ihre Meinung geändert habe, erhoffe man Besseres für Merkel, als sie sich offenbar selbst wünsche: "Wir wünschen Ihnen ein sehr langes Leben, aber Sie sollten es wirklich nicht an Eurobonds knüpfen."