Eingereichte Projekte würden das Fünffache dessen kosten, was Kommissionsprogramm vorsieht.
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Brüssel. Breitband-Internet für den Bezirk Weiz, Windparks an der Nordsee, Schnellstraßen in Süditalien, Maßnahmen gegen Überflutungen in Slowenien, Sozialwohnungen in den Niederlanden oder Gasleitungen zwischen Polen, der Slowakei und Tschechien: Die Wunschliste der EU-Mitgliedstaaten ist lang. Rund zweitausend Projekte wurden in den Ländern eingereicht, nachdem die EU-Kommission ein groß angelegtes Investitionsprogramm angekündigt hatte. In dieses sollen in den kommenden drei Jahren 315 Milliarden Euro fließen, die allerdings erst mobilisiert werden müssen. Doch für die Verwendung der Mittel gibt es schon jetzt zahlreiche Ideen - und der Finanzierungsbedarf wäre deutlich höher als die geplante Summe. Die 2000 Vorhaben hätten einen Umfang von rund 1,3 Billionen Euro. Die aus Österreich stammenden 19 Projekte würden knapp 30 Milliarden Euro kosten.
Eine Arbeitsgruppe aus Vertretern der Staaten, der EU-Kommission und der Europäischen Investitionsbank (EIB) präsentierte die Liste; in Brüssel hielten die Finanzminister der EU eine erste Debatte über das Investitionspaket ab. Doch ist das erst die Anfangsphase der Initiative, und die Zweifel an den Finanzierungsmöglichkeiten sind noch nicht ausgeräumt. Denn die 315 Milliarden Euro sind keineswegs frisches Geld, vielmehr sollen sie einem sogenannten Hebeleffekt geschuldet sein. So wird zunächst einmal ein neuer Fonds bei der EIB geschaffen, den die Bank mit fünf Milliarden Euro speist. 16 Milliarden Euro garantiert der EU-Haushalt, wovon acht Milliarden direkt dafür reserviert sind. Mit diesen 21 Milliarden Euro soll die EIB Kapital in Höhe von 60 Milliarden Euro aufzunehmen. Damit will sie Investoren anlocken, die die Starthilfe dann verfünffachen sollen. So, ist die Hoffnung, generiert ein Euro 15 Euro. Bis Mitte des kommenden Jahres soll der Fonds einsatzbereit sein.
Eine Expertengruppe soll parallel dazu die Projekte bewerten, die tragfähig und von "europäischem Mehrwert" sind. Denn die Liste der nun vorgestellten Vorhaben bedeutet nicht, dass diese tatsächlich realisiert werden. Vielmehr ist es eine offene Sammlung: Ein Teil davon hat kaum Chancen auf Umsetzung und wird nicht weiter verfolgt, dafür können andere Vorschläge aufgenommen werden. Dabei werden mehrere Schwerpunkte gesetzt; sie umfassen die Bereiche Infrastruktur, Energieunion, Transport, Gesundheit oder Umweltschutz.
Geld für Atomkraftwerke?
Dabei gibt es in den Ländern unterschiedliche Vorstellungen von der Förderungswürdigkeit. So hätte Großbritannien gern Unterstützung für den Ausbau von Atomkraftwerken - was etwa die Grünen im EU-Parlament empört. Ebenso ist nicht für alle einleuchtend, welchen "europäischen Mehrwert" Verbesserungen in der Pariser U-Bahn haben.
Es gehe aber nicht um Länderquoten, die erfüllt werden müssen, betonte Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici: "Was zählt, ist die Qualität." Sein für Investitionen zuständiger Kollege, Vize-Kommissionspräsident Jyrki Katainen, stellte klar, dass über die Umsetzung der Projekte "nicht die Politiker entscheiden".
Doch scheinen in der Liste etliche Vorhaben auf, die von den Versprechen der jeweiligen Politiker nicht weit entfernt sind: von verbessertem Zugang zu Internet, über den Ausbau von Straßen und anderer Infrastruktur bis hin zur Städtesanierung. Skeptiker weisen daher auf die Gefahr hin, dass in erster Linie Projekte finanziert werden, die sowieso umgesetzt werden würden - wenn der öffentlichen Hand nicht das Geld ausgegangen wäre. Neue Investitionen würde das nicht unbedingt bedeuten. Diesem Einwand halten die EIB-Experten aber entgegen, dass es nicht um eine Zusatzfinanzierung für den Staat gehe, sondern vielmehr privaten Investoren ein Teil des Verlustrisikos abgenommen werden solle.
Dass das neue Investitionsprogramm für Zwist unter den Ländern sorgen wird, ist aber nicht ausgeschlossen. Der Streit ums Geld flammt nämlich in unterschiedlichen Facetten regelmäßig auf. Denn auch wenn die Regierungen die Wichtigkeit europäischer Vorhaben immer wieder betonen, wollen sie dafür nicht steigende Kosten in Kauf nehmen.
Einigung auf EU-Budget 2015
Das zeigte zuletzt das Ringen um das EU-Budget für das kommende Jahr. Erst nach mühsamen Gesprächen und einer gescheiterten ersten Verhandlungsrunde einigten sich die EU-Institutionen auf den gemeinsamen Haushalt. Die Ausgaben sollen 2015 rund 141 Milliarden Euro betragen. Für das laufende Jahr wurden zusätzliche Zahlungen in Höhe von 3,5 Milliarden Euro beschlossen. Das ist weniger als es sich das EU-Parlament gewünscht hätte, und auch die EU-Kommission näherte sich eher den Vorstellungen der Mitgliedstaaten an. Die hätten gern noch weniger gezahlt.