Zum Hauptinhalt springen

Länger warten auf Schengen

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Europaarchiv

Vertrauenskrise wegen Korruption, schwacher Justiz. | Berlin und Paris warten auf den EU-Bericht im Juli. | Luxemburg/Brüssel. Die Wartezeit im Vorzimmer des Schengenraums dürfte für Bulgarien und Rumänien noch länger dauern als erwartet. Erst 2012 wolle sein Land über den Wegfall der Grenzkontrollen entscheiden, sagte der niederländische Einwanderungsminister Gerd Leers beim Innenministertreffen am Donnerstag.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 13 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Damit relativierte er den formellen Beschluss der Mitgliedstaaten, laut dem sich diese im September wieder mit dem Thema beschäftigen wollen. "Ich hoffe, dann können wir einen weiteren Schritt unternehmen", sagte der ungarische Innenminister Sandor Pinter bei der letzten Tagung unter seinem Vorsitz. Doch durch die niederländische Ankündigung sinken die Chancen auf einen Beitritt Bulgariens und Rumäniens noch heuer dramatisch.

Dabei attestierten die Minister den beiden Ländern, alle rechtlichen Kriterien für den Beitritt zum Schengenraum erfüllt zu haben. Außengrenzschutz, Dokumentensicherheit und Ähnliches entspricht inzwischen den hohen EU-Standards. Zum Verhängnis wird den Bulgaren und Rumänen aber, dass das nicht für grundsätzliche Bereiche wie eine leistungsfähige und unabhängige Justiz sowie den Kampf gegen organisierte Kriminalität und Korruption gilt.

Daher hatten neben den Niederlanden auch Deutschland und Frankreich an der Schengentauglichkeit der zwei Staaten gezweifelt, obwohl sie alle Formalbedingungen erfüllt haben. Denn "der Schengen-Raum ist nicht nur ein Raum der rechtlichen Kriterien sondern auch des gegenseitigen Vertrauens", hieß es in Diplomatenkreisen.

Bulgarien und Rumänien hätten ursprünglich schon im März beitreten sollen und wünschen sich zumindest den Schengen-Vollbeitritt noch 2011. Ihre Hoffnungen ruhen jetzt auf dem nächsten Evaluierungsbericht, den die EU-Kommission Anfang Juli präsentieren will. Denn seit ihrem Beitritt Anfang 2007 stellen die EU-Experten alle sechs Monate Zeugnisse über die (bisher stets bescheidenen) Fortschritte in Richtung EU-Standards aus. Diese politische Bewertung stehe noch aus, sagte der deutsche Innenminister Hans-Peter Friedrich. Vor der Grenzöffnung müsse sichergestellt werden, dass sich die Situation in Bulgarien und Rumänien "normalisiert" - vor allem bei Korruption, Rechtssicherheit und Rechtsstaatlichkeit. Seinen Standpunkt hatte er vor dem Ministerrat mit seinem französischen Kollegen Claude Gueant abgestimmt.

Neuer Anlauf fürEU-Asylsystem

Mit einem letzten Kraftakt will die Kommission unterdessen ein gemeinsames EU-Asylsystem bis 2012 auf die Beine stellen. Die Chancen dafür sehen Experten freilich als ziemlich gering an. Nicht weniger als fünf Gesetzestexte müssen dafür noch ausverhandelt werden. Mit zwei Neuvorlagen für die Aufnahmebedingungen und Asylverfahrensregeln komplettierte Innenkommissarin Cecilia Malmström das Paket letzte Woche immerhin. Diese deuteten aber nicht unbedingt auf rasche Verhandlungsfortschritte hin, hieß es in Diplomatenkreisen.

So kommt die Kommission Mitgliedstaaten wie Österreich und Deutschland bei den angestrebten gemeinsamen EU-Bedingungen für Asylwerber zwar leicht entgegen. Diese müssten de facto erst nach einem Jahr Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten statt wie bisher geplant nach sechs Monaten. Finanzielle Unterstützungen müssten der Sozialhilfe nicht mehr gleichgestellt werden, sondern sich nur noch an ihr "orientieren". Doch besteht die Kommission immer noch auf einem breiten Familienbegriff für den Familiennachzug und will etwa auch einen "Vormund" einbeziehen. Zudem herrscht völlige Uneinigkeit über die etwaige Aussetzung der Dublin-Verordnung in Fällen der Überforderung von Schengen-Außengrenzstaaten. Laut Dublin muss jenes Land das Asylverfahren abwickeln, in dem der Asylwerber der erste Mal EU-Boden betritt.