Neue Daten sollen erst 2011 Basis für Empfehlungen an die Politik sein. | Hacklerregelung bis Frühjahr "neu". | Wien. Es erinnert fast ein wenig an die Szene, wenn sich ein Gentleman elegant aus der Affäre ziehen möchte. Hatte zuletzt ein Expertengutachten über die langfristige Sicherung des Pensionssystems viel Staub aufgewirbelt, waren jetzt die Beteiligten sichtlich um einen Ausweg aus der misslichen Lage bemüht. Der Bericht wurde am Mittwoch schließlich von der 34-köpfigen Pensionssicherungskommission weder abgelehnt noch wurde zugestimmt - auch so funktioniert Politik.
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Für die Kritiker wurde in der Expertise mit "Horrorzahlen" agiert. Demnach würde der notwendige Bundeszuschuss zu den Pensionen in den nächsten 50 Jahren massivst ansteigen. Von derzeit 7,6 Milliarden Euro auf 28,7 Milliarden im Jahr 2060. Gemessen an der Wirtschaftsleistung würde das eine Steigerung von 2,8 auf 4,5 Prozent des BIP bedeuten, zwischenzeitlich werden für das Jahr 2045 sogar 6,2 Prozent erwartet. Keine leichte Kost also für die Verhandler.
Schon vorweg wurde der Bericht torpediert, die Seniorenvertreter Andreas Khol (ÖVP) und Karl Blecha (SPÖ) reagierten sauer, das sei ein Machwerk und basiere auf falschen Annahmen, hieß es. In der Zwickmühle befindet sich auch der Vorsitzende der Kommission, Bernhard Schwarz. Zur "Wiener Zeitung" meinte er im Vorfeld der Sitzung ironisch: "Unmögliches wird sofort erledigt, Wunder dauern etwas länger."
Die Zeitspanne für Wunder wurde zumindest bis nächstes Jahr ausgeweitet. Schwarz sagte nach der Sitzung, dass der Bericht auf Basis der Daten von Statistik Austria und Langzeitprognosen von Wirtschaftsforschern "mehrheitlich zur Kenntnis genommen wurde". Es soll fünf Gegenstimmen - darunter die Seniorenvertreter - gegeben haben. Empfehlungen der Kommission werden aufgrund der vorliegenden Prognosen jedenfalls keine abgegeben. Vielmehr soll nun mit den Daten aus dem Budget 2011 und künftigen Wirtschaftprognosen bis März kommenden Jahres Alternativszenarien für die Pensionsentwicklung errechnet werden. 2011 soll es dann sehr wohl Empfehlungen der Kommission geben. Zumindest sei es eine "feste Absicht". Dass er zuversichtlich sei, wollte Schwarz nicht sagen, "aber es ist ein Versuch".
"Eine Verschiebung ist nicht ungewöhnlich"
Eine solche Verschiebung habe es im Übrigen schon im Jahr 2007 gegeben, und ist "daher nicht unüblich".
Die Errechnung alternativer Szenarien für die Pensionskommission dürfte auf das Konto des Vorsitzenden Schwarz alleine gehen. Denn dessen Antrag, neue Berechnungen bis März anzustellen, blieb in der Kommissionssitzung mit 12:15 Stimmen in der Minderheit, hieß es aus dem Gremium. Darauf kündigte Schwarz von sich aus die Neuberechnungen an.
Reaktionen: Sozialminister Rudolf Hundstorfer kann mit der Vorgangsweise der Kommission "gut leben". Bei einer Prognose über 50 Jahre könne man sich ruhig ein paar Monate Zeit lassen, um neue Szenarien zu rechnen, sagte er gestern. Bei der Hacklerregelung soll es spätestens im Frühjahr zu einer Entscheidung kommen, wie es weitergeht - unabhängig von den Empfehlungen der Kommission. Auch hier dürfte der Zeitfaktor keine so große Rolle spielen. Denn laut Regierungsprogramm hätte es bereits Ende 2009 zu einer Neuregelung kommen sollen. In der jetzigen Expertise wurde ausdrücklich kritisiert, dass man den weiteren Verlauf der Hacklerregelung bis 2060 nicht habe bewerten können, weil man nicht wisse, wie es nach 2013 weitergehe.
ÖVP-Finanzstaatssekretär Reinhold Lopatka sieht auch ohne Empfehlung der Pensionskommission "dringenden Handlungsbedarf", weil das Pensionssystem ohne Änderungen "ganz sicher nicht finanzierbar ist". FPÖ-Seniorensprecher Werner Neubauer ortete ein Chaos in der Kommission, kein einziger Antrag sei beschlossen worden. BZÖ-Seniorensprecherin Ursula Haubner betonte, dass das Kommissionsgutachten keine entscheidungsfähigen Grundlagen bilde. Grünen-Sozialsprecher Karl Öllinger bezeichnete das Gutachten als "Murks".