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"Lass dich nicht täuschen"

Von WZ-Korrespondentin Simone Brunner

Politik

Seit zwei Jahren bekämpft die Initiative "East StratCom Task Force" russische Propaganda.


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Moskau. Im Moskauer Fernsehstudio ist eine Männerrunde versammelt. Als Wladimir Schirinowskij am Wort ist, kommt er so richtig in Fahrt. Der Politiker schimpft auf Europa und die Ukraine. Eine Hasstirade, die in einem Ausdruck gipfelt: Ein "Gay-Park" sei der Europarat. "Ein Schwulenpark?", nimmt der Moderator den Ball auf. Die Runde lacht.

Die Talkshow auf dem Sender Rossija 1 gilt als Kür der Hardliner im russischen Staatsfernsehen. Polternde Altherrenrunden, die im Abendprogramm herzhaft über den Westen lästern. Eine Episode, die sich aber nicht nur auf den russischen Fernsehschirmen, sondern wenig später auch in einem EU-Newsletter wieder finden wird. "Der Moderator nennt den Europarat einen ‚Schwulenpark‘", wird dort nüchtern erklärt, "in Anlehnung die vom Kreml verbreitete Falschinformation, die Europa als ‚Gayropa" darstellt."

Es ist eine von 3500 russischen Meldungen, die die sogenannte "East StratCom Task Force" gesammelt hat. Im Herbst 2015 wurde die Initiative im Europäischen Auswärtigen Dienst angesiedelt. Ein 14-köpfiges Team arbeitet daran, Fake News aufzudecken. Außerdem soll die EU-Politik in Osteuropa "proaktiv" beworben werden. Ein Anspruch, der ihr auch Kritik eingebracht hat, selbst den schmalen Grat der Gegenpropaganda zu beschreiten. Das weist die Task Force zurück: Vielmehr ginge es darum, "die EU mit Fakten und korrekten Informationen zu erklären", so die Pressestelle auf Anfrage.

Giles Portman ist der Leiter der Initiative. In Vorträgen gibt der britische Diplomat gerne die skurrilsten Fälle zum Besten. Wie auch zuletzt im "Haus der Europäischen Union" in Wien. Er zählt Beispiele auf: Wie die Meldung, dass die EU Drogen in die Republik Moldau liefere. Oder dass innerhalb der EU fortan nicht mehr nur weiße, sondern auch braune Schneemänner aufgestellt werden müssten, um niemanden zu diskriminieren. Sowohl auf dem Podium als auch im Publikum sind ihm an diesem Abend die Lacher sicher.

Aber welchen Nutzen haben diese Initiativen wirklich? Laut eigenen Angaben werden mit dem Newsletter "Disinformation Review" wöchentlich 20.000 Leser erreicht. Mit den sozialen Medien könne das Publikum monatlich "in die Millionen" gesteigert werden. Zum Vergleich: Die RT-Facebook-Seite hat 4,6 Millionen Likes, "Sputnik" mehr als eine Million. "Die EU-Agentur bekämpft den russischen Brand mit einem Gartenschlauch", spottete zuletzt das US-Magazin "Time".

Gegen "Hate Speech"

Ob nun Feuerwehr oder Gartenschlauch - Fakt ist, dass der Schwulenpark-Sager im Oktober zu den beliebtesten Inhalten auf der "Disinformation Review" zählte. Übertrumpft wurde er nur noch von einer als Falschmeldung entlarvte Geschichte, in Dänemark würden nun Vergewaltigungen an Tieren straffrei gestellt und Tier-Bordelle eröffnet, mit einem Foto bebildert, das einen Hund als Straßenprostituierte zeigen soll. Der Zugriff auf die Aufdeckergeschichten bleibt indes mit jeweils knapp 2000 Klicks überschaubar.

Alles nicht viel mehr als Realsatire, über die sich EU-Beamte in ihrer Medienblase amüsieren, der neueste "heiße Scheiß" im Berliner Regierungsviertel, wie es zuletzt die "Zeit" nannte? Die Klarstellungen seien wichtig, da die Grundaussage "Teil des homophoben Hate Speech" sei, das Russland "als ein Eldorado für ‚traditionelle‘ Werte darstellen möchte", was wiederum von einem "russischsprachigen Millionenpublikum" konsumiert wird, kontert die Pressestelle der Task Force schriftlich. So sehen auch viele Experten die Initiative positiv. "Es geht nicht darum, jede falsche Aussage zu widerlegen, sondern darum, wichtige Beispiele auszuwählen, um zu zeigen, dass ihnen das Problem bewusst ist und sie nicht bereit sind, aus Höflichkeit oder diplomatischen Gründen jede Behauptung zu akzeptieren", so die Osteuropa-Expertin Susan Stewart von der Stiftung für Wissenschaft und Politik.

Angesichts der Initiative scheiden sich aber selbst in Brüssel die Geister. Immer wieder wird darüber diskutiert, Personal wie Budget aufzustocken. Bisher wird die Einheit aus bestehenden EU-Geldern und den Mitgliedsländern finanziert. Ein Antrag, das Budget der Task Force um 800.000 Euro zu erhöhen, wurde im EU-Parlament abgelehnt. So alt wie die Initiative ist zudem der Vorwurf, marginalen Stimmen erst recht eine große Bühne zu bieten.

Die Meldung, dass in Kopenhagen bald Tier-Bordelle ihre Pforten öffnen sollen, hatte eine unbedeutende russische Online-Zeitung zuvor von einer französischen Satire-Seite abgekupfert. Eine Task Force, die Satire als Falschmeldung entlarvt? "Im Anfangsstadium war ihre Arbeit effektiv, um insbesondere in Brüssel ein Bewusstsein für die Bedrohung von Propaganda und Desinformation zu schaffen", räumt der kanadische Journalist Michael Colborne ein. Doch der wirkliche Effekt sei wohl als "minimal" einzuschätzen, glaubt er. "Die Einheit wurde gegründet, um jene Vertreter zu beschwichtigten, die eine Lösung des Problems fordern", sagt Jerzy Pomaniowski vom European Endowment for Democracy. "Aber zugleich wurde es ohne Mittel und Kompetenzen ausgestattet, um die Gegner - auch aus Angst vor Russland - nicht zu sehr aufzubringen."

Wie viele Personen die Initiative etwa in der Ukraine wirklich erreicht, kann nicht beziffert werden. Doch wer wiederum die Arbeit der Aufklärer in Frage stellt, gerät selbst ins Visier. Als Colborne in einem Artikel das Prager "Zentrum gegen Terrorismus und hybride Bedrohung" als ineffizient kritisierte, wurde er von Mitarbeitern der East StratCom Task Force, die mit den Tschechen kooperieren, auf Twitter blockiert und ins Kreml-Eck gestellt. Es sei keineswegs sein Anliegen, das Problem kleinzureden, betont Colborne gegenüber der "Wiener Zeitung". Im Gegenteil: "Ich befürchte, dass die Bedrohung durch Desinformation von Politikern benutzt wird, um von inneren Problemen abzulenken. Und dass wir, wenn wir zu oft falschen Alarm bei russischer Desinformation schlagen, am Ende verpassen, wo sie wirklich stattfindet."

"Faschistenputsch"

Dass Propaganda eine massive Rolle in der Ukraine-Krise seit 2014 spielt, steht derweil außer Frage. Verzerrte Berichte in den russischen Staatsmedien über den "Faschistenputsch" in Kiew ebneten den Weg für die Annexion der Krim und den Krieg im Donbass. Der mögliche russische Einfluss auf die US-Präsidentschaftswahlen hat auch den Westen für das Problem, allerdings bis hin zur medialen Hysterie ("Zeit": "Krieg ohne Blut"), sensibilisiert. Zuletzt hat Marija Gabriel, die EU-Kommissarin für digitale Wirtschaft, angekündigt, ab 2018 den Kampf gegen Fake News mit einer Expertengruppe innerhalb der Kommission, zu verstärken.

"Lass dich nicht täuschen, sondern zweifle noch mehr!" lautet das Motto der Task Force, wohl nicht zufällig vom Motto des russischen Senders RT ("Zweifle mehr!") abgewandelt.

Vorerst sind es aber eher Fragen statt Antworten, die die Task Force auf die russische Propaganda liefern kann.